Kritik zu "Das Medium" :Blick in die Zukunft

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Das Gärtnerplatztheater zeigt Gian Carlo Menottis Kurzoper "Das Medium" im Netz als so gelungene wie präzise Studie

Von Egbert Tholl, München

Aus zwei Gründen passt das Stück gut an dieses Haus, ans Gärtnerplatztheater. Der eine davon ist eher eine Schnurre: Gian Carlo Menotti erlebte 1936 in Sankt Wolfgang am gleichnamigen See eine Séance mit, woran er sich knapp zehn Jahre später noch sehr gut erinnern konnte und das damalige Erleben in seine Oper "Das Medium" umformte. Diese landete nach kleinen Umwegen 1947 am Broadway und wurde schließlich ein enormer Erfolg, aber erst, nachdem die örtliche Presse berichtete, Arturo Toscanini habe drei der Aufführungen besucht. Na, und was ist so eine Art Signaturstück des Gärtnerplatztheaters? Eben. "Das weiße Rössl". Am Wolfgangsee. Außerdem inszenierte Menotti sein Stück 1974 selbst am Gärtnerplatz, so etwas machte er gern, auch verfilmt hat er es selbst.

Jetzt hat es Maximilian Berling inszeniert, Rainer Sinell hat ihm dafür ein hübsches, kleines Drehbühnchen gebaut und am Rande dieses kreisrunden Salons sitzen ein paar Musikerinnen und Musiker des Gärtnerplatzorchesters vor ihrem Dirigenten Andreas Partilla. Und da ums Rund herum auch ein paar Menschen sitzen, die zuschauen, was sie dürfen, weil sie zum Haus gehören, kommt in einem natürlich sofort der Wunsch auf, auch dort zu sitzen, in der Intimität der Studiobühne, im dort angedeuteten Salon, weil ein Salon halt dafür da ist, dass man drinnen sitzt und nicht von draußen reinschaut. Gleichwohl schaut man hier anders rein als in eine stur abgefilmte Guckkastenproduktion, das Bühnchen dreht sich, die Kameras bewegen sich unsichtbar und unaufgeregt mit. Man hat den Eindruck eines Ausprobierens, obwohl natürlich alles zu Ende geprobt ist. Da passt es, dass der Gärtnerplatzintendant Josef E. Köpplinger nicht von einer Stream-Premiere redet - denn was anderes kann es ja hier in Bayern nicht sein -, sondern von einer "Vorpremiere". Das heißt, die echte kommt noch. Irgendwann vielleicht.

In ihrem Salon inszeniert Madame Flora, genannt Baba (Anna Agathonos), mit Hilfe ihrer Tochter Monica (Andreja Zidaric), dem stummen Findelkind Toby (Christian Schleinzer) und einigem Budenzauber ihre Séancen. Aus einem Silberkelch strömt weißer Dampf, der Tisch hebt sich, das Licht flackert. Zu Gast sind das Ehepaar Gobineau (Elaine Ortiz Arandes und Timos Sirlantzis) sowie Frau Nolan (Ann-Katrin Naidu), alle drei wollen Kontakt zu ihren früh verstorbenen Kindern aufnehmen, was Baba ihnen auch gerne hinzaubert. Bis sie es selbst nicht mehr erträgt.

Menotti erzählt in einer Stunde in präzisen Skizzen viel über Menschen, die mit der Realität auf Kriegsfuß stehen. Monica und Toby träumen sich spielerisch in Märchenwelten, sie singt mit liedhafter Innigkeit, er spielt für sie stumm. Baba weiß, dass sie eine Scharlatanin ist, aber dann lassen sie die Geister, die sie vorgeblich selbst rief, nicht mehr los. Kurz aus ihrer Garstigkeit erwachend und mit genug Schnaps intus will sie den Kunden ihr Geld zurückgeben, führt selbst die Tricks vor, aber die wollen nicht glauben. Die klammern sich verzweifelt an das Lebenszeichen aus dem Jenseits. Das Ende ist ein kleiner Psychokrimi, und Toby ist tot.

Menotti schrieb sicherlich keine Oper auf dem europäischen Kompositionsniveau von 1946. Aber er hantiert geschickt mit dem Sound vom Broadway, erfindet in Sprechgesang und Quasi-Rezitativen tönendes Sprechtheater, was die Menschen auf der Bühne gerne annehmen, liefert dazu liedhafte Nummern, ariose Ausbrüche und irisierende Spukmusiken. Im Ergebnis und der Umsetzung hier ist das eine blitzsaubere Studie, leicht altmodisch, aber nicht zu sehr.

© SZ vom 29.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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