Kritik:Ungleiches Paar

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"Indien" auf der Bühne im Schlachthof

Von Franziska Herrmann, München

Wenn man lange in der Provinz unterwegs war, kann man sich das schon einmal fragen: Indien, wie mag es dort wohl aussehen? Zumindest Kurt Fellner geht es so, er denkt an die Fremde, die er nie besucht hat. Zusammen mit seinem kleinbürgerlichen Kollegen Heinz Bösel ist er bei Dienstreisen unterwegs durch ganz andere Gegenden. Die beiden sind Qualitätsprüfer für Gastronomie. Heinz ist fürs Kulinarische zuständig, testet die Schnitzel, und Kurt für die Zimmer, inspiziert die Duschen. Und während der eine pausenlos redet, was er denkt, weiß und zu wissen glaubt, schweigt der andere seine rohe dumpfe Natur in sich hinein. Ach, Indien!

Der gleichnamige Film mit Josef Hader und Alfred Dorfer ist eine der erfolgreichsten österreichischen Kino-Komödien. Er basiert auf einem Stück, das Hader und Dorfer für die Bühne schrieben, das nun mit den Schauspielern Sven Hussock und Andreas Bittl im Schlachthof zu sehen war. Erzählt schon die Verfilmung von bitterbösen menschlichen Zügen, so treibt die Inszenierung ihr Publikum in den Zwiespalt zwischen Komik und politischer Unkorrektheit. Etwa wenn Kurt sich an der Kellnerin, gespielt von Anna Veit, demütigend ausagiert oder Heinz posaunt: "Schenk deiner Frau doch Stöckelschuhe und Strapse, da hast du auch was davon."

Hussock und Bittl spielen das ungleiche Paar unaufgesetzt direkt, lassen hier einen Hessen und einen Bayern aufeinander treffen. Sie agieren lustvoll, amüsant, was das Publikum lachend goutiert. Besonders schön ist die musikalische Ebene des Abends. Früh schleicht sich das Sterbethema in das hell gesungene Volkslied, weist auf das Unheil hin: Fellner erhält eine erschütternde Krebsdiagnose. Zum Ende übertönt hartnäckig das Geräusch eines Asphaltbohrers den Chor. Wie versuchte der todkranke Kurt den neuen Freund zu trösten? "Wir müssen alle mal zum Zahnarzt. Der Unterschied ist nur, ich habe einen Termin."

© SZ vom 16.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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