Kritik:Schön schräg

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Mozarts "La Finta Giardiniera" in der Reaktorhalle

Von Klaus Kalchschmid, München

Alle paar Jahre wird die schon erstaunlich reife "La Finta Giardiniera" des 18-jährigen Mozart am Ort der Uraufführung, in München gespielt: mal als italienische Opera buffa, mal in deutscher Singspiel-Fassung, und immer im Prinzregententheater. Was die Hochschule für Musik jetzt in der Reaktorhalle präsentierte, war etwas Besonderes. Herrlich schräg die Kostüme (Claudia Karpfinger, Katharina Schmidt) und das Bühnenbild von Jens Hübner: rechts eine zerzauste Windmühle aus Papier, links die vermüllte Wand eines Messi, mit einem gekreuzigtem Messias aus Pappmaché im Zentrum. Am Boden klebt zerschlissene Werbung, über allem prangt ein Plakat mit Werbe-Schönheit, in das eine Isetta gecrasht ist. Dabei kam wohl den Leuchtbuchstaben für "Love" das "O" abhanden. Es dient jetzt am Boden als multifunktionales Bühnenelement.

Moderat gekürzt auf zweieinviertel Stunden, die dem Virus geschuldet auf zwei Abende verteilt sind, gibt es Arien und Ensembles auf Italienisch; die geschickt modernisierten Dialoge werden mit Verve auf Deutsch gesprochen. Die Personenkonstellationen sind immer klar: Ramiro (mit intensivem Mezzo einen leidenschaftlichen Jüngling darstellend: Franziska Bader) liebt Violante alias Sandrina (sehr weiblich kokett, mit empfindsamem Sopran: Susanne Kapfer). Graf Belfiore (ein unwiderstehlich eitler Gockel mit sexy baritonalem Tenor: Magnus Dietrich), den auch Arminda (Sol Lee) will, hat sie einst mutmaßlich aus Eifersucht schwer verletzt liegen lassen, was Violantes Liebe keinen Abbruch tut. Ihr stellt ein alter, als Bürgermeister jedoch mächtiger Zausel in Gestalt des wallebärtigen Jonas Häusler nach, den wiederum Serpetta (reichlich zickig: Laura Hemingway) aus Karrieregründen heiraten will. Sie wird von Roberto alias Nardo angehimmelt: Jakob Schad ist ein smarter Möchtegern-Cowboy mit edler Seele und feinem, natürlichem Bariton.

Regisseurin Doris Sophia Heinrichsen gelingt es, aus den jungen Sängerinnen und Sängern mit den gesanglichen auch ihre darstellerischen Fähigkeiten hervorzulocken. Vor allem bei Magnus Dietrich als Graf und Jakob Schad als Nardo kann man bereits eine gute Portion Charisma und kernige Bühnenpräsenz entdecken. Gerade mal 13 Musiker plus Pianist und Dirigent (an beiden Abenden jeweils abwechselnd: Henri Bonamy und Norbert Groh) bilden das kleine, in die Bühne integrierte Orchester, das mit den Protagonisten wunderbar harmoniert.

© SZ vom 02.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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