Kriminalität:Tatwaffe Gürtelschnalle

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Getarnte Messer, Drogen, ein Elektroschocker im iPhone - 150 000 Stücke lagern in der Asservatenkammer der Münchner Staatsanwaltschaft

Das mit dem Pferd ist dann doch noch gut ausgegangen. Das Tier war als gestohlen gemeldet und wurde in einem fremden Gestüt entdeckt. Bei der Staatsanwaltschaft München I waren sie unsicher, wie sie damit umgehen sollten. "Es gab lange Debatten, ob wir das Tier sozusagen sicherstellen sollen", erzählt Hans Kornprobst, der Leitende Oberstaatsanwalt. Das Pferd war ja ein Beweismittel in einem Diebstahlsverfahren. Aber dann erbarmte sich der Beschuldigte doch noch und gab das Pferd zurück - rechtzeitig bevor es beschlagnahmt werden musste.

Justizverwaltungsinspektor Anton Jofer (links) mit einer Anscheinswaffe, also einer funktionsuntüchtigen Fälschung, die täuschend echt aussieht. Leitender Oberstaatsanwalt Hans Kornprobst hat eine Uzi in der Hand. (Foto: Florian Peljak)

Etwa 150 000 Stücke lagern in der Asservatenkammer der Münchner Staatsanwaltschaft, verteilt auf 25 Räume, die sich über das gesamte Strafjustizzentrum erstrecken. Tiere wie das Pferd damals kommen natürlich nicht in diese speziell gesicherten Lager, exotische Vögel zum Beispiel, die die Staatsanwaltschaft einmal beschlagnahmen musste, leben heute im Tierpark Hellabrunn. Auch Autos, die als Beweismittel aufbewahrt werden müssen, werden woanders hingebracht, soviel Platz ist dann doch nicht an der Nymphenburger Straße. Aber all die Drogen und Waffen, all der wertvolle Schmuck und auch zahlreiche Fahrräder werden katalogisiert und zwischengelagert: Bis sie vor Gericht als Beweismittel nicht mehr gebraucht und dann zurückgegeben werden - außer sie sind illegal oder wurden illegal erworben.

Ein Wurfgeschoss

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(Foto: Florian Peljak)

So eine Sitzschale aus der Arena in Fröttmaning ist ganz schön schwer, 4,5 Kilogramm. Anhänger des TSV 1860 hatten am 30. Mai 2017 im Relegationsspiel gegen Regensburg solche Sitze, aber auch Batterien, Fahnenstangen und Bierflaschen auf Polizisten und Ordner geworfen. 26 Verfahren, teils schon abgeschlossen, führt die Staatsanwaltschaft gegen Löwen-Anhänger. Die Sitzschale zeigt eindrücklich, wie gefährlich die Ausschreitungen waren.

Koks aus der Dose

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(Foto: Florian Peljak)

Drogenhändler sind erfinderisch. So gibt es zum Beispiel Gürtel, die auf der Innenseite einen Reißverschluss haben, um kleine Portionen verschiedener Drogen transportieren zu können. Und es gibt Behälter, die aussehen wie Getränkedosen, aber einen Schraubverschluss haben. Da lässt sich gut Koks, Haschisch oder anderes Rauschgift verstecken. Die Ermittler sind aber nicht doof - und kennen solche Verstecke natürlich auch.

Gefährliches Arsenal

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(Foto: Florian Peljak)

Schlagringe, Samuraischwerte, Springmesser, eine Uzi und ein Gehstock, in den ein großer Dolch eingearbeitet ist. Etwa 1800 verschiedene Waffen und dazugehörige Munition haben Ermittler im Jahr 2017 eingezogen. Was verboten ist, wird vernichtet, sobald es nicht mehr gebraucht wird. Das Messer auf dem Bild ist zum Beispiel verboten, weil es eine beidseitig geschliffenen Klinge hat - so etwas mitzuführen verbietet der Gesetzgeber.

Ausgehöhlter Fuß

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(Foto: Florian Peljak)

Ein Aschenbecher auf einem Huf, ein ausgehöhlter Elefantenfuß und ein Stoßzahn aus Elfenbein: Es gibt Menschen mit seltsamem Geschmack, die sich so etwas ins Wohnzimmer stellen. Fahnder fangen solche Teile vor allem dann ab, wenn die zweifelhaften Schmuckstücke angeliefert werden - dann schlägt der Zoll zu, am Flughafen oder im Paketzentrum, in dem Päckchen überprüft werden. Für die Tiere ist es dann allerdings schon zu spät.

Anton Jofer ist der Chef der Asservatenkammer, seit 21 Jahren kümmert sich der Justizverwaltungsinspekteur um die sichergestellten Beweismittel. Der 58-Jährige hat schon einiges gesehen in seinem Arbeitsleben: iPhones, die nur so aussehen, aber eigentlich getarnte Elektroschocker sind. Rauschgift wie Marihuana, Kokain und Ecstasy in großen wie in kleinen Mengen. Versteckte und selbstgebastelte Waffen, etwa ein Messer, das als Schnalle im Gürtel eines Drogenhändlers versteckt war. Und, das ist schon länger her, einen großen Diamanten im Wert von damals etwa 800 000 Mark. Exakt 67 309 Asservate hat Jofer im Jahr 2017 neu eingelagert, darunter auch ganz banale Dinge wie Zigarettenschachteln. "Es kann ja praktisch alles ein Beweismittel werden", sagt der 58-Jährige.

Am liebsten ist es Jofer, wenn er die Sachen gleich wieder abgeben kann, sonst hat er ja auch irgendwann keinen Platz mehr. Es gibt Dinge, erzählt er, die sind am nächsten Tag schon wieder weg. Andere Asservate wie Beweismittel in Mordfällen lagern jedoch teilweise seit Jahrzehnten im Strafjustizzentrum. Mord verjährt nie, vielleicht werden sie doch noch einmal gebraucht. Und wenn die rechtmäßigen Besitzer nicht ausfindig gemacht werden können, gibt es noch andere Möglichkeiten, Asservate wieder loszuwerden und so dringend benötigten Platz zu schaffen: Sie werden dann versteigert. Oder eben, wie im Fall der beschlagnahmten Drogen, vernichtet.

© SZ vom 23.06.2018 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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