"Krenkl-Preis":Falsche Sicherheiten

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Oktoberfest-Attentat: SPD ehrt "Aufklärer" Dietrich und Chaussy

Von Wolfgang Görl

War man da wirklich bei der SPD? Am Ende spielten Maria Reiter (Akkordeon) und Monika Drasch (Gesang, Geige und vieles mehr), die das musikalische Begleitprogramm bestritten, die "Internationale", und tatsächlich sangen nicht mal so wenige Sozialdemokraten mit, einige sogar relativ textsicher. Ganz schön klassenkämpferisch, die Münchner SPD - das kommt im politischen Alltag gar nicht so recht rüber.

Andererseits hatte zu diesem Zeitpunkt gut die Hälfte der Versammelten den Festsaal des Augustiner-Schützengartens schon verlassen, denn die Hauptsache war bereits erledigt: Die SPD München-Süd hatte ihren "Krenkl-Preis", mit dem sie seit 1990 couragierte Menschen auszeichnet, an zwei Männer verliehen, die gezeigt haben, dass man sich mit Mut und Hartnäckigkeit sogar gegen die bayerische Obrigkeit durchsetzen kann. In der Tat ist das Engagement der beiden Preisträger beeindruckend: Der Rechtsanwalt Werner Dietrich und der BR-Journalist Ulrich Chaussy haben jahrzehntelang recherchiert, insistiert und gekämpft, um zu verhindern, dass das Oktoberfest-Attentat vom 26. September 1980 als das Werk eines frustrierten Einzeltäters zu den Akten gelegt wird. Vor allem ihrer Beharrlichkeit ist es zu verdanken, dass die Ermittlungen Ende 2014 wieder aufgenommen worden sind.

Die Laudatio auf die "Helden" (so Hans Well, der zuletzt den Preis erhalten hatte) hielt Heribert Prantl, Mitglied der SZ-Chefredaktion. Prantl leitete seine Rede mit der nur leicht ironisch intonierten Überlegung ein, im nächsten Jahr müsse der Krenkl-Preis vielleicht an Angela Merkel verliehen werden: ",Wer ko, der ko' - das klingt nämlich fast so wie ,Wir schaffen das'." Bekanntlich hat der Pferdehändler Franz Xaver Krenkl seinerzeit die Kutsche des Kronprinzen Ludwig überholt und dies mit den Worten "Majestät, wer ko, der ko" gerechtfertigt. Auch Dietrich und Chaussy, fuhr Prantl fort, haben gezeigt, was sie können. Sie sind "Aufklärer", die die "falschen Sicherheiten über das Oktoberfest-Attentat von 1980 weggeräumt" haben.

Prantl sieht eine Wesensverwandtschaft zwischen den damaligen Ermittlungspannen und dem Versagen der Sicherheitsdienste bei der Aufklärung der NSU-Morde. Die neonazistische Terrorbande habe über Jahre hinweg Einwanderer auch deshalb exekutieren können, "weil Polizei, Staatsschutz und Staatsanwaltschaft rassistische Motive und braune kriminelle Strukturen überwiegend ausgeschlossen haben". Auch beim Wiesn-Attentat, bei dem 13 Menschen starben, hätten die Ermittler Hinweise auf rechtsextremistische Netzwerke beiseite geschoben, hätten "Zeugen das Wort im Munde umgedreht", um die Einzeltäter-Theorie nicht zu gefährden. "Es war ein Fiasko. Und es wäre noch immer ein Fiasko, wenn da nicht Ulrich Chaussy und Werner Dietrich wären."

Dass mit der Wiederaufnahme der Ermittlungen alles besser werde, ist eine Hoffnung, die Chaussy in seiner Dankesrede dämpfte. Bei der neuen Sonderkommission des Landeskriminalamts gebe es Entwicklungen, "die mich sehr besorgt machen". Chaussy zufolge seien erneut Zeugen eingeschüchtert worden, weshalb bei ihm die Alarmglocken läuten: "Wir müssen den Herren und Damen weiter auf die Finger schauen."

© SZ vom 12.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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