Konzertsaal-Debatte:Auf Kies gebaut

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Einen neuen Konzertsaal mitten in der Isar? Die Isarphilharmonie von Architekt Roland Dieterle wäre technisch machbar. Doch die Kosten dürften enorm sein. Drei kritischen Punkte im Überblick.

Michael Ruhland

Die wichtigste Erkenntnis zuerst: Machbar wäre sie, die Isarphilharmonie, der kühne Vorschlag des Münchner Architekten Roland Dieterle, einen Konzertsaal mitten im Fluss unterhalb der Museumsinsel zu bauen. Machbar sowohl aus technischer Sicht als auch aus planerischer. Zwar will sich keiner der Fachleute aus städtischen und staatlichen Referaten öffentlich positionieren.

Mitten in der Isar will Architekt Roland Dieterle einen Konzertsaal bauen. (Foto: Robert Haas)

Doch Totschlagargumente - wenn man die Frage des Geldes außen vorlässt - gibt es nicht. "Ingenieure gründen alles", sagt eine Führungskraft aus dem Baureferat. Soll heißen: Wenn man eine Autobahn am Chiemsee mit teils 100 Meter langen Pfeilern im Moorboden verankern kann, dann lässt sich auch eine Isarphilharmonie stabil einbetonieren. Fest steht aber jetzt schon, dass solch ein Großprojekt in dieser komplizierten Lage wohl sehr teuer werden würde.

Bauen in der Isar

Die Isar ist trotz Steuerung über den Sylvensteinspeicher ein Gebirgsfluss, der innerhalb weniger Stunden zu einem reißenden Strom anschwellen kann und viel Geschiebe, also Sand und Kies, mit sich führt. Letzteres ist durchaus gewollt. Die Renaturierung des Flusses setzt darauf, dass die Isar ihren Raum wieder freier gestalten darf, Kiesinseln verlagert, neue Sandbänke anlegt. An dem von Roland Dieterle vorgeschlagenen Bauplatz zwischen Kleiner und Großer Isar verläuft seitlich das Wehr 6, das im Hochwasserfall seine Schleusen öffnet.

Dort rauschen dann nicht nur gewaltige Wassermassen mehrere Meter tief nach unten, sondern auch Kies, Baumstämme und was die Isar sonst noch mitschwemmt. Eine Isarphilharmonie könnte dem im Wege stehen und im Ernstfall zu "Verklausungen" führen - das heißt, Bäume könnten sich verkeilen, die Fluten sich zurückstauen und Schäden auf der Museumsinsel oder an den Grundmauern der Philharmonie selbst anrichten. "Ein Bauwerk darf auf keinen Fall den Hochwasserabfluss behindern", sagt John Bruns, Diplom-Ingenieur im Wasserwirtschaftsamt München. Sonst ist es nicht genehmigungsfähig. Was also tun?

Es gibt einen eleganten Weg aus diesem Dilemma, der beim städtischen Baureferat auf offene Ohren stoßen würde: Das Isarwehr 6 stammt aus den sechziger Jahren und braucht dem Vernehmen nach bald eine Generalüberholung. Würde Architekt Dieterle die Isarphilharmonie ein wenig Richtung Großer Isar verrücken und ein kombiniertes Bauwerk planen, das zugleich die Funktion des Wehres übernimmt, er würde drei Fliegen mit einer Klappe schlagen.

Erstens gibt es im Hochwasserfall keine Probleme, zweitens leistet er der Stadt gute Dienste und drittens rückt er weiter von der Kleinen Isar ab, die als ökologisch besonders hochwertig gilt. Auch Anlieferung und Rettungswege könnten über die neue Wehranlage erfolgen. All dies bedarf neben der baurechtlichen auch einer wasserrechtlichen Genehmigung durch die Stadt. Und natürlich müsste man eine Lösung für die Stellplätze finden, die so ein Bau eigentlich vor Ort nachweisen muss.

Landschaftsschutz

Die Isar ist auf ihrem 13,3 Kilometer langen Weg durch die Stadt als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen. Die Fauna-Flora-Habitate (FFH), Schutzgebiete, die von der EU eingefordert worden sind, enden dagegen im Süden an der Braunauer Eisenbahnbrücke und beginnen im Norden erst wieder jenseits des Mittleren Rings. Glück für die Philharmonie-Idee, denn ausgewiesene FFH-Gebiete "wären ein No-Go", sagt eine Expertin des Planungsverbands Äußerer Wirtschaftsraum München.

So aber bestünde lediglich eine Prüfungspflicht, inwieweit sich das Bauwerk auf die nächstgelegenen FFH-Gebiete auswirkt. Was das Landschaftsschutzgebiet anbetrifft, müsste der Bauherr eine "landschaftsschutzrechtliche Gestattung" einholen. Zuständig ist die Untere Naturschutzbehörde, die in München beim Planungsreferat angesiedelt ist. Dort gibt man sich zurückhaltend. "Die Isarschneise ist für den Naturschutz unglaublich kostbar", sagt eine Mitarbeiterin und betont: "Wir würden sehr genau hinschauen." Zu erwarten wäre, dass die Stadt für die Philharmonie einen Bebauungsplan aufstellt, der die Grünplanung und eventuelle Ausgleichsmaßnahmen genau definiert.

So könnte der Bauherr, ist aus dem Baureferat zu hören, sich zum Ausgleich um mehr Ökologie in der Kleinen Isar in Richtung Maximilianbrücke kümmern, also zum Beispiel um Fischunterstände und Laichplätze.

Finanzierung

Noch ist die Isarphilharmonie nicht mehr als eine interessante Idee. Realistische Kostenschätzungen liegen nicht vor. Wer vergleichbare Großprojekte in der Vergangenheit anschaut, ob das Sydney Opera House, das zuerst auf 17 Millionen australische Dollar taxiert wurde und dann nach 14 Jahren Bauzeit 107 Millionen kostete, oder die Elbphilharmonie, für deren Bau anfangs ebenfalls völlig unrealistische Zahlen genannt wurden, kommt unweigerlich zu einem Schluss: Auf die vom jeweiligen Architekten vorgelegten Kostenschätzungen muss man, konservativ betrachtet, das Zwei- bis Dreifache drauflegen.

Die Isarphilharmonie wird nur eine Chance haben, wenn Geld keine große Rolle spielt und in München politische Einigkeit herrscht. Sonst droht ein Dauerclinch. Ein Experte aus dem Baureferat bringt es auf den Punkt: "Für so ein Projekt musst du den Arsch in der Hose haben."

© SZ vom 19.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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