Heino in München:Terminator im Backstage

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Schwarz blüht der Enzian: Heino. (Foto: Eva Casper)

Auf einmal passen Schlager und Rock'n'Roll ganz locker zusammen. Heino wirkt im Münchner Backstage verdammt komisch - als Terminator und als Weihnachtsbaum.

Von Eva Casper

Nach der Hälfte des Konzerts sieht Heino aus wie ein Weihnachtsbaum. Er trägt jetzt einen langen schwarzen Mantel, besetzt mit kalt leuchtenden LED-Lampen. Die Klamotte scheint schwer zu sein, denn Heino bewegt sich noch träger als ohnehin. Er singt Nena, "Ich lass dich nie mehr alleine", dann zieht er sich nochmal um. Diesmal ist es der rote Sakko, den jeder kennt. Er singt nun auch die Lieder, die jeder kennt: "La Paloma" und "Rosamunde". Und es klingt irgendwie so gar nicht nach Rock'n'Roll, sondern nach Schlager. Ein Schlagerkonzert im Backstage.

Nur zur Erinnerung: Das Backstage ist dieser Club im Westen der Stadt, in dem sich sonst, Punks, Metaller und Reggae-Fans treffen, um sich Bands anzuhören, die mit diesem ganzen kommerziellen Musikgeschäft nichts zu tun haben wollen. Und da steht jetzt Heino und singt seine Hitparaden-Lieder. Die Fans klatschen und rufen: "Heino! Heino! Heino!"

Auf einmal passen Schlager und Rock'n'Roll ganz locker zusammen. Es wirkt nicht komisch, dass Gruftie-Mädchen in Netzstrumpfhosen auf Anzugträger stoßen, Punks mit pinken Haaren auf Dirndlträgerinnen. Und was macht das händchenhaltende Paar eigentlich hier, das aussieht, als würde es höchstens ins Backstage kommen, um ihren Teenager-Nachwuchs abzuholen? Zwei Männer tragen Perücken und Sonnenbrillen, wie es sie bei Kaufhof zur Fashingszeit gibt: "Die Herren-Perücke 'Heini'", für 19,99 Euro.

Das "R" rollt wie eh und je, nur der Enzian, der blüht jetzt in Schwarz

Vielleicht passen sie am besten in diesen Zirkus. Doch auch sie dürften in ihrer Jugend keine Heino-Schallplatte besessen haben, in den 60ern und 70ern, der Zeit seiner großen Hits.

So wie damals sieht Heino heute auch nicht mehr aus. Seit er beschlossen hat, dass er jetzt Rock'n'Roll macht, trägt er eine schwarze Lederjacke oder einen schwarzen Rollkragenpullover, dazu eine glitzernde Kette. Seine Haare sind gelb, das "R" rollt wie eh und je, der Enzian blüht - wenn auch jetzt in Schwarz. Heino wirkt phasenweise wie einer dieser Senioren aus Filmkomödien, die versuchen, dem Altersheim zu entfliehen, indem sie eine Musikband gründen. Die "Spätzünder" mit Jan Josef Liefers und Joachim Fuchsberger ist so ein Film.

Auch im Backstage wird an diesem Abend viel gelacht. Das Publikum findet diesen Heino verdammt komisch, wie er jetzt Sportfreunde Stiller und Die Ärzte singt. Sie strecken ihm ihre Hände entgegen: schwarze Lederhandschuhe mit Nieten, die Metalhand, der Rock'n'Roller-Gruß. Sie machen Selfies mit Heino im Hintergrund. Sie tragen T-Shirts von Metallica, Rage against the Machine, AC/DC oder von Gothikbands mit Drachenlogo und Songtexten: "It will tear your soul apart". Sie pogen, headbangen und schunkeln. Und irgendwie geht das alles zusammen, weil Heino jetzt singt wie Till Lindemann von Rammstein, nur viel steifer.

In dem "Enzian"-Parfum ist alles - nur kein Enzian

Wie der Terminator steht er auf der Bühne. Aber nicht wie der Gute aus dem zweiten Teil, sondern wie der Böse aus dem Ersten, der nach einer Rohrbombenexplosion aus den Trümmern aufsteht und sagt: "I'll be back!"

Heino ist auch zurück - mit einem Parfum. Wer will, kann sich am Fanartikel-Stand im Backstage sogar eine Flasche "Enzian" kaufen. Bei jedem Sprühen ertönt für 23 Sekunden ein Heino-Song. Die Verpackung verspricht, dass der Inhalt für mindestens 200 Sprühgänge reiche. Für 200 Mal "Blau blüht der Enzian". Eine Mischung aus Pampelmuse, Pfefferminze und Blutmandarine. Enzian ist nicht drin.

Ein junger Mann kauft sich ein T-Shirt, darauf: Heino als Fürst der Finsternis auf einem Thron. Er zieht es gleich an. Über sein Metallica-Shirt.

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