Kontinuität ins Leben bekommen:Beste Rolle: Wirt

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Zwischenzeitlich war der Schauspieler Eckhard Preuß nebenher auch mal Wirt - hier steht er in seiner Kneipe "Korner". (Foto: Florian Peljak.)

Mannschaftsgeist statt Einzelkämpfer - Eckhard Preuß betreibt eine Kneipe

Von Philipp Crone, München

Eckhard Preuss steht auf und redet. Mit zwei Menschen, die er noch nie zuvor gesehen hat. Ein junges Pärchen ist gerade in die Bar Korner an der Westermühlstraße eingetroffen, schaut sich um und hockt sich in die Sofa-Ecke. Drauflosreden, wer kann so etwas schon? Ein Wirt? Ein Schauspieler? Preuss ist beides, er hat in Dutzenden Filmen gespielt, "Tatort", Soko, Kino. Vor allem aber ist er ehemaliger Handballspieler, was man an der Türsteher-mäßigen Figur erahnen kann, die der 56-Jährige hat, der von seinen Gesichtszügen her durchaus als jüngster Sohn von Willy Brandt durchgehen könnte. Und wie es sich für einen Menschen gehört, der als Darsteller beruflich Geschichten erzählt, ist seine eigene die, was ein Handballer, und zwar ein ziemlich guter, mit einem Wirt und einem Schauspieler zu tun hat.

Oder, zugespitzt, wie es in der Branche üblich ist bei guten Geschichten: Ohne Handball wäre er nie Wirt und Schauspieler geworden. Warum? Wie das? Genau.

"Handball war das, was ich am besten konnte in meinem Leben", sagt der Vater zweier Kinder. Was er auch gut kann: Sätze formulieren, die in Filmen am Ende einer packenden Szene stehen könnten. Handball, das war bei Grün-Weiß Dankersen, Teil des Bundesliga-Kaders, allerdings ohne einen Einsatz in der ersten Liga. Preuß stammt aus einer Unternehmerfamilie, beim Sport lernte er das Gefühl des Teamgeists kennen. Und beim Schauspiel das Gegenteil.

Preuß kam nach München als Autodidakt, er wollte an der Hochschule für Fernsehen und Film das Handwerk lernen, sie lehnten ihn ab, der Ehrgeiz und das Durchhaltevermögen eines Leistungssportlers, dieses 1,85 Meter großen Halblinks-Spielers, beides ließen ihn weitermachen. Er lief zufällig am Pathos-Transport-Theater in München vorbei, lernte die Leute kennen, "bin dann kleben geblieben". Woran? An Orten und Leuten, die eine Gruppe bilden. "Beim Film ist jeder ein Einzelkämpfer", sagt Preuß, ein Satz wie ein Wurf. Das Paradoxe ist: Wenn die Einzelkämpfer dann ein Filmprojekt verwirklichen, dann steht da eine Gruppe von Leuten und ist für 20 Drehtage auf einmal ein Team. Preuß hat das bei seinem letzten Film "Bocksprünge" so erlebt. "Man ist beim Film doch auf andere angewiesen", sagt er, "aber das grundsätzliche Zusammengehörigkeitsgefühl vermisse ich." Dass man sich unterstützt. "In anderen Branchen gehen immer mal Türen auf, hier eher nicht." So eng es in der Dreh-Zeit oft ist, so lose und beliebig wird es dann oft danach wieder. Dann sind wieder alle Einzelkämpfer, die um die nächste Rolle und den nächsten Film kämpfen, gegeneinander im Zweifel.

Preuß hat sich eine Tür gebaut, wenn schon keine aufgeht. Die Eingangstür zu seiner Bar. Wobei jeder Schauspieler, der noch andere Jobs hat als den des Darstellers, immer gut aufpassen muss, dass er nicht so wahrgenommen wird, als ob er von der Schauspielerei nicht leben könnte. Das ist in der Welt der Einzelkämpfer fatal. Preuß, eher ein Freund des Tons einer deutlichen Halbzeitansprache denn einer dezenten Festrede, sagt dazu: "Ich habe das gemacht, weil es auch Zeiten gibt, in denen nicht so viel passiert." Im Winter wird meistens kaum gedreht, aber oft in Kneipen gegangen. Hinzu kommt, was manch einen, der einen Büro-Alltag hat, verwundert: "Ich hatte auch das Bedürfnis, Kontinuität in mein Leben zu bekommen." Nichts ist schlimmer für einen Schauspieler, als auf Aufträge zu warten. Manche schreiben in der Zeit Drehbücher, andere spielen Theater. Preuß spielt Theater, schreibt Drehbücher und betreibt jetzt seit einem guten halben Jahr eine Kneipe, zusammen mit Michael Hildebrand vom Restaurant Cooperativa zwei Straßen weiter.

"Michael ist tiefenentspannt, dass Clint Eastwood bei ihm noch in die Lehre gehen könnte", sagt Preuß. "Ich fahre eine etwas andere Energie gelegentlich." Insofern ging es ihm nicht darum, "einen Zapfhahn rauf und runter zu ziehen", das wäre zu fad. Sondern darum, ein Kollektiv zu gründen. Teamgeist, hausgemacht, wie früher, nur mit Bier statt Ball.

Mittlerweile kommen regelmäßig Filmkollegen vorbei, von denen es im Glockenbach-Viertel jede Menge gibt, und manch einer fragt, ob er nicht auch mal Theke machen könne. Preuß muss in seiner Kneipe ausschenken und unterhalten, das ist nicht so schwierig für einen Darsteller. Ein Lokal sei einfach eine Bühne, "auf der man eine Atmosphäre schaffen muss, in der sich die Leute wohl fühlen". Wenn er es zum Beispiel schafft, einen schlecht gelaunten Gast, der sich aus Ärger über irgendwas mit einem Bier an einen Tresen setzen will, wenn er den in gute Stimmung versetzt, dann ist er ein guter Wirt.

Preuß geht vom Tresen zu dem Pärchen vorne in der Auslage, er hat sie einen Moment aus den Augen verloren, sie haben noch nichts bestellt. Preuß geht hin und sagt: "Und ihr seid jetzt verdurstet?" Lächeln, Ratschen, wieder zwei Mitspieler mehr.

© SZ vom 28.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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