Kommunalwahl Schwanthalerhöhe:Balanceakt im Szeneviertel

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Das einstige Arbeiterquartier hat sich seinen Sinn für Solidarität bewahrt. Doch so bunt wie seine Milieus, so vielfältig sind die heutigen Herausforderungen

Von Sonja Niesmann

Zur links-alternativen Szene gehört auch das "Ligsalz 8" unter dem Dach des "Mietshäuser Syndikats". (Foto: Sebastian Gabriel)

Ein bisschen Statistik zum Einstieg: Die Menschen im Stadtbezirk 8 sind jünger (im Schnitt 38,9 Jahre alt) und bunter (34,5 Prozent ausländische Mitbürger) als das Normalo-Viertel in der Stadt. Und sie sind dort ein bisschen linker und alternativer als andernorts - was sich zum Beispiel an der Selbstverständlichkeit zeigt, mit der eine Bürgerversammlung einen Enteignungsantrag mitträgt oder ein Bezirksausschuss sich quer durch die Parteireihen fürs Überleben eines linken Arbeiterverlags, des Hauses mit der roten Fahne, starkmacht. Für Sibylle Stöhr, die grüne Bezirksausschuss-Chefin, wird solidarisches Miteinander großgeschrieben. Thomas Hofstätter (CSU), ein Alteingesessener, gießt da Wasser in den Wein. Er konstatiert einen Wandel von "einem armen, solidarischen Viertel mit viel selbstloser Nachbarschaftsunterstützung zu einem Viertel der überwiegend Wohlhabenden, in dem es zwar viele ,Initiativen' gibt, die aber vorrangig dem eigenen Ziel oder Zweck dienen".

Zwei sehr konträre Betrachtungsweisen. Unstrittig dagegen ist die Herausforderung, in diesem Szeneviertel mit seiner Kneipendichte die richtige Balance zwischen Nachtschwärmern und auf Nachtruhe pochenden Anwohnern zu halten. Die Debatten um die "Parklets" haben es gezeigt: Dass im vergangenen Sommer an Schwanthaler- und Parkstraße wochenlang Parkplätze ummöbliert waren zu - nicht kommerziellen - Treffpunkten, hat nicht jedem gefallen. Wenn es im nächsten Sommer um neue "Sommerstraßen", neue Parklet-Standorte geht, wird die Debatte mit großer Wahrscheinlichkeit wieder aufflammen.

Abgeschlossen dagegen ist ein Großprojekt, das diesen Bezirksausschuss jahrelang beschäftigt hat: der Umbau des XXXLutz-Kolosses an der Schwanthalerhöhe zur Shoppingmall "Forum Schwanthalerhöhe". Die Prophezeiungen vor allem des SPD-Ortsvereins, dieser Konsumtempel werde kleinere Geschäfte und Gastronomie in der Umgebung plattmachen, haben sich bisher nicht bewahrheitet. Manche munkeln allerdings, der (Riesen-)Laden brumme auch nicht recht. Die Center-Manager dagegen schlugen Anfang September 2019, 100 Tage nach der Eröffnung, zufriedene Töne an.

Umgetrieben hat das Gremium mit schöner Regelmäßigkeit privater Leerstand im Viertel. Das Schnitzelhaus wird nun immerhin saniert, beim "Döner-Haus" aber, das sogar Gegenstand einer Sondersitzung des Bezirksausschusses war, tue sich trotz Eigentümerwechsels nichts, bedauert Sibylle Stöhr. Bezahlbarer Wohnraum, der Kampf gegen die Vertreibung von Mietern, ist dort wie überall in München ein ausgesprochen wichtiges Thema und wird es auch bleiben. Und weil die Menschen am Rande der Wiesn und mit deren nervenden Begleiterscheinungen leben, wird auch der neue BA mit Sicherheit fordern, was schon der alte gebetsmühlenartig wiederholte: ein schlüssiges Verkehrskonzept zur Entlastung der Anlieger während des Wiesn-Wahns.

(Foto: SZ)

Auf der Agenda außerdem: Verbesserungen an Grünanlagen in diesem Innenstadt-Bezirk, der mit Grün nicht gerade üppig ausgestattet ist, Umgestaltungen am Georg-Freundorfer-Platz und am Gollierplatz also, eine Kur für den Bavariapark. Beschäftigen werden sich die BA-Mitglieder auch mit dem geplanten Bau einer Mittelschule auf der Brache an der Ganghoferstraße, zur Entlastung der Carl-von-Linde-Realschule. Als Zwischennutzung auf diesem Gelände wäre ihnen auch die Wagenburg "Rad und Tat" sehr willkommen gewesen, da stellte sich aber die Verwaltung quer. Und natürlich ging und wird es gehen um sichere Radstrecken in die Innenstadt - ein durchgehender Radweg an der Schwanthalerstraße, die fahrradgerechte Umgestaltung der Ridlerstraße sind zwei Beispiele dafür. Dazu noch einmal ein bisschen Statistik: "Nur" zu 21 Prozent sind die Westendler motorisiert, mit 35 Prozent Fußgängeranteil halten sie einen Rekord in der Stadt.

Sibylle Stöhr hat übrigens noch ein Ziel - mehr Geld aus dem Stadtteilbudget unter die Leute zu bringen: "Wir haben heuer 180 000 Euro zur Verfügung, tun uns aber schwer, es auszugeben. Hier wünsche ich mir Kreativität." Helfen könnte auch, Zuschussanträge weniger oft mit "Nein" zu beantworten.

© SZ vom 01.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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