Kommentar:Warten auf die Werte

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Die Feinstaubbelastung in den Straßen der Stadt darf kein Geheimnis bleiben. Die echten Messergebnisse müssen bald auf den Tisch, sonst verliert die Politik das Vertrauen der Bürger

Von Berthold Neff

Man hat sich in dieser modernen Welt mit all ihren Smartphones schon daran gewöhnt, dass einem vieles live dargeboten wird. Der gewiefte User wechselt mit einem Fingerwisch vom Fußball-Live-Ticker zum Wetterradar, um das Anrücken der Gewitterfront zu beobachten. Angesichts all dieser Möglichkeiten moderner Technik mutet es etwas sonderbar an, dass niemand Auskunft geben kann, wie sauber oder dreckig die Luft ist, die wir gerade atmen.

Es muss den Anwohnern der Straßen im Südwesten Münchens wie Hohn vorkommen, dass selbst zwei Jahre nach Eröffnung des Südwest-Tunnels niemand sagen kann oder will, wie viele Schadstoffe all die Autos in die Luft pusten, die durch den Tunnel rauschen oder aber, bei Stau, auf Schleichwegen durch die Wohnstraßen zuckeln. Die Anwohner werden aufs Frühjahr 2018 vertröstet.

Der CSU-geführte Freistaat, den die Gesetze dazu verpflichten, für saubere Luft zu sorgen, hat diesen Auftrag bisher weitgehend ignoriert. Anstatt von sich aus alles zu tun, um die Bürger vor den Schadstoffen des Autoverkehrs so gut wie möglich zu schützen, hat man sich - so wie die Bundesregierung auch - von der Autoindustrie hinters Licht führen lassen. Und danach ließ man sich von Gerichten zum Handeln tragen. Man ermittelte, rein rechnerisch und etwas widerwillig, die Belastung der Münchner Luft und gab danach bekannt, dass knapp ein Viertel aller Münchner Hauptstraßen die Grenzwerte bei Stickstoffdioxid deutlich übersteigen. Um wie viel, sagte man freilich nicht. So schafft man kein Vertrauen, sondern Verdruss.

Aber auch das Referat für Gesundheit und Umwelt gibt keine gute Figur ab. Die Umweltreferentin Stephanie Jacobs (CSU), die ihr Amt kurz nach Eröffnung des Südwest-Tunnels übernahm, hätte längst fordern müssen, dass die Stadt selbst misst, ob die Luft in München so beschaffen ist, wie vom Freistaat berechnet. Es ist ein Unding, dass ihre Experten sich weigern, den Bürgern rund um den neuen Tunnel selbst nach einem halben Jahr des Messens wenigstens erste Anhaltspunkte zu liefern. Der Oberbürgermeister sollte das nicht tolerieren. Die Fakten müssen auf den Tisch. Sonst verliert man das Vertrauen der Bürger.

© SZ vom 27.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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