Kommentar:Unvernünftig und riskant

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Der grüne Duchmarsch mit SPD-Hilfe bei der Konstituierung des Maxvorstädter Bezirks­ausschusses kann sich noch rächen - wenn die Fraktion auf die Suche nach Stimmen für eine Mehrheit gehen muss

Von Stefan Mühleisen

Die Fraktionskollegen hatten Sektgläser bereitgestellt, auch einen Blumenstrauß - sie wussten ja schon vorher, dass sie jetzt die tonangebenden Akteure im Bezirksausschuss Maxvorstadt sind. Die zwölf Mitglieder der Grünen stoßen am Dienstagabend in der kühlen Abendluft auf eine Neuordnung nach ihrem Gusto an: Sie besetzen sechs von neun maßgeblichen Posten, inklusive den der Vorsitzenden. Zeigten sich Mitglieder der Ökopartei in anderen Stadtbezirken, wo sie ähnlich starke Ergebnisse erzielt hatten, gehemmt (Sendling) oder zerstritten und deshalb erfolglos (Schwabing-Freimann), nutzten die Maxvorstädter Grünen ihre Mehrheit schonungslos. Das könnte sich noch als Fehler erweisen.

Freilich ist ein Wahlgewinner gehalten, den Sieg in harte politische Münze umzusetzen, wie man so schön sagt. Man kann es kühn und entschlossen nennen, wie die Grünen sich und der SPD die Gestaltungsmacht gesichert haben. Doch klug ist es nicht. Denn lange war das Gremium heillos zerstritten - auch und vor allem, weil sich die Grünen ausgebootet fühlten von einer Allianz aus CSU und SPD. Doch zuletzt fand das Gremium zu einem Arbeitsmodus zurück; der abgewählte CSU-Vorsitzende Christian Krimpmann hat mit seiner moderierenden Art viel dazu beigetragen. Ein Posten im Vorstand für ihn wäre eine ausgestreckte Hand gewesen - ebenso wie vor sechs Jahren, als die Grüne Martha Hipp in die Führungscrew aufgenommen wurde.

Nun erscheint der politische Wandel im Gremium wie das Auskosten eines späten Triumphs. Das mag menschlich nachvollziehbar sein, ist aber politisch unvernünftig und riskant, auch von der SPD. Die will zwar nicht als Mehrheitsbeschaffer erscheinen, verweist auf das Vorbild der grün-roten Rathauskoalition. In Wahrheit wollten die Sozis verhindern, dass sie, wie die CSU, nichts mehr zu melden haben. Doch verliefen die Konfliktlinien bisher gerade zwischen (wiedergewählten) Personen der BA-Koalitionäre. Kommt es zum Knatsch, gar zum Bruch, bietet das ausgerechnet dem AfD-Vertreter eine Chance, destruktiv zu wirken. Seine Stimme reicht, um Initiativen der Grünen durchs Gremium zu bringen.

Dann hätten die Grünen den Salat, wären plötzlich ein Scheinriese mit äußerst ungewolltem Partner. Es werden präzise Absprachen nötig sein, um das zu verhindern. Grüne und SPD sollten deshalb dringend ihre Haltung überdenken. Die BA-Satzung lässt einen zweiten Beisitzer im Vorstand zu. Womöglich lässt sich der noch nachträglich besetzen.

© SZ vom 14.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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