Kommentar:Ungute Fehlbuchung

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Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz haben in der Kriminalitätsstatistik eines Stadtviertels nichts zu suchen

Von Ulrike Steinbacher

Wer nur die dürren Zahlen liest, könnte auf die Idee kommen, Donald Trump, Präsidentschaftskandidat der US-Republikaner, habe womöglich recht: In seiner jüngsten Rede zur Außenpolitik hat er behauptet, dass die Kriminalität in Deutschland massiv angestiegen sei und die Flüchtlinge daran schuld seien. Auf den ersten Blick ließe sich eine solche These mit den Zahlen der auch für Freimann zuständigen Polizeiinspektion Milbertshofen belegen: 2015 verzeichnete sie 21 017 Delikte, 2014 waren es nur 9480 gewesen - ein Plus von 122 Prozent.

Nun ist diese Inspektion tatsächlich für die beiden Asylbewerber-Erstaufnahmeeinrichtungen Bayernkaserne und Maria-Probst-Straße zuständig; und die Steigerung der Fallzahlen geht tatsächlich auf Delikte zurück, die die Flüchtlinge begangen haben. Allerdings handelt es sich in den allermeisten Fällen um Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz. Das heißt: Wenn ein Flüchtling, der in der Bayernkaserne ankommt, keinen Pass dabei hat, dann muss die Polizei Milbertshofen in ihrer Kriminalitätsstatistik einen Strich machen. Wenn er oder sie einen falschen Geburtstag angibt oder die Meldepflicht verstreichen lässt, dann ist das ein Fall für die Statistik.

Drei Dinge dazu: Natürlich darf die Polizei Deliktzahlen nicht verschweigen oder schönrechnen, nur um zu verhindern, dass rechte Unruhestifter sie zu Propagandazwecken ausschlachten. Es stellt sich aber schon die Frage, was Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz in der Kriminalitätsstatistik eines Stadtviertels zu suchen haben. Sie sollten in einer eigenen Statistik erfasst werden, am besten auf Landes- oder Bundesebene, dann wären sie auch deutlich aussagekräftiger. Und drittens: In Wirklichkeit ist die Delikt-Zahl für Stadtviertel mit durchaus komplexem Sozialgefüge im Jahr des großen Flüchtlingszuzuges um nur 0,3 Prozent gestiegen - von 5690 Fällen auf 5708. Für die Untergangsthesen von Trump & Co. eignet sich das also auf gar keinen Fall.

© SZ vom 17.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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