Kommentar:Übertrieben und realitätsfern

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Das Projekt WagnisArt im Domagkpark ist inspirierend und eine glänzende Leistung. Doch es wäre völlig übertrieben und realitätsfern, die Experimentierfreude der Genossen zum Standard des Wohnungsbaus auszurufen

Von Stefan Mühleisen

Zugegeben, es ist beachtlich, was die Genossen mit WagnisArt im Domagkpark geschaffen haben. Sie haben 42 Millionen Euro zusammengeworfen und ein in Konzept und Architektur erstaunliches Bauwerk realisiert. Das Projekt ist inspirierend und eine glänzende Leistung. Doch es wäre völlig übertrieben und realitätsfern, die Experimentierfreude der Genossen - und die Kollektivleistung an sich - nun zum Standard des Wohnungsbaus auszurufen, wie es bei der Veranstaltung des Münchner Forums vermittelt wurde.

Im Sinne einer nachhaltig sozialen und ökonomischen Quartiers-Entwicklung ist der genossenschaftliche Ansatz sicher überzeugend. Eine Gemeinschaft baut sich ein gemeinschaftliches Quartier - das ist gut, doch München braucht die Masse. So bestechend solche Projekte auch sein mögen: Das Konzept taugt nicht zur Behebung der drängenden Wohnungsnot in München. Es ist utopisch, von Investoren oder den städtischen Wohnungsbaugesellschaften ähnliche Teilhabe-Prinzipien zu verlangen; Jahre würden verstreichen, bis ein paar Dutzend Wohnungen entstehen. Dazu kommt: Nicht jedermanns Fall ist es, in einer exklusiven urbanen Dorf-Gemeinschaft zu leben. Es wäre ungerecht, der Stadt "zu wenig Mut" für derlei Initiativen anzukreiden. Neubau-Projekte von Genossenschaften scheitern meist an den exorbitanten Grundstückspreisen, sie kommen ja fast nur in den städtischen Siedlungsgebieten zum Zug.

Genossenschaften sind die sozialen Sahnehäubchen im Münchner Wohnungsbau, die Kür, nicht die Pflicht. Dennoch: Die Entstehung des Domagkparks hat gezeigt, wie der genossenschaftlicher Geist des Miteinanders eine Quartiersentwicklung positiv beeinflussen kann. Unter Führung der Wogeno-Genossenschaft etablierte das Konsortium schon während der Bauphase die soziale Vernetzung der künftigen Bewohner. Es war ein Angebot, kein Zwang, das den Boden für eine fruchtbare Nachbarschaft bereitete. Ein Modell, das zum Standard werden sollte.

© SZ vom 03.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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