Kommentar:Stadt der Frauen

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Es gab und gibt in München jede Menge charismatische Frauen. Man(n) sollte es nicht versäumen, ihnen den Platz einzuräumen, der ihnen zusteht

Von Jutta Czeguhn

In ihrem wunderbaren New-York-Atlas "Nonstop Metropolis" hat sich die amerikanische Schriftstellerin Rebecca Solnit zusammen mit ihren Co-Autorinnen und -autoren den Spaß gemacht, das komplette Subway-Netz der Stadt umzutaufen. Jede einzelne U-Bahnstation - und das sind sehr, sehr viele in Greater New York - bekam den Namen einer Frau. Madison Avenue, Lincoln Center, Washington Square oder Penn Station, sie alle wurden von der Landkarte gefegt. In Solnits utopischer City of Women heißen Stationen nun Yoko Ono, Louise Bourgeois, Eleanor Roosevelt, Greta Garbo, Joan Didion, Zora Neale Hurston oder Barbra Streisand. Und das sind nur die bekannten Namen. Der New Yorker Frauen-Atlas feiert auch jene, denen die Stadt viel zu verdanken hat, die aber nie sichtbar werden durften und vergessen wurden.

Der Stadtplan der New Yorker Frauen war ein Experiment, das sich wohl auf jede andere Metropole übertragen ließe. Denn beinahe überall sind es die Namen von Männern, die in den Stadtraum eingeschrieben sind. Mit ihrer Bedeutung, mag sie noch so fragwürdig sein, schmücken sie Straßen und Plätze, Monumente oder Museen, die an ihr Wirken, manchmal Wüten, erinnern. In München ist das nicht anders. Da sind die Leopolds und Ludwigs, die Maxens, die Schweren Reiter, Asams, Kaulbachs, Spitzwegs, die Montgelas und ...

"Manscape" nennt das Rebecca Solnit, und spielt mit dem Wort "landscape" (Landschaft). Mit Studentinnen und Studenten hat sie ihre imaginäre Stadt der Frauen durchwandert und ihnen die Frage gestellt: "Was würde es mit Euch machen, wenn Ihr Euch durch eine Stadt bewegen könntet, die auch Frauen, unterschiedlichen Ethnien und Sexualitäten Ihren Platz gewährt?" Eine Studentin antwortete: "Ich würde mich ermuntert fühlen, auch mir selbst mehr Raum zu nehmen." Auch München stünde derart Ermunterung gut zu Gesicht, denn es gab und gibt in dieser Stadt jede Menge charismatische Frauen. Man(n) sollte es sich nicht entgehen lassen, ihnen den Platz einzuräumen, der ihnen zusteht.

© SZ vom 28.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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