Kommentar:Peinlicher Rückzieher

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Das Wohnen-für-Alle-Projekt auf der Unnützwiese wird es nicht geben. Die Stadt rudert zurück. Der Fall zeigt zwei Dinge: dass sich Bürgerprotest lohnt, wenn man prominente Fürsprecher hat. Und dass sich künftige Standorte wohl erst einem Stresstest zu stellen haben

Von Thomas Kronewiter

Wie groß der Sprung zwischen der vollmundigen Ankündigung und der effizienten Umsetzung mitunter ist, zeigt sich dieser Tage nicht nur in der Weltpolitik, sondern auch auf der Truderinger Unnützwiese. Wie viele Politiker, wie viele Mitarbeiter der Stadtverwaltung haben sich in den vergangenen Monaten für die Absicht der Stadtspitze abwatschen lassen müssen, dort Wohnraum zu schaffen. Wie weit hat sich Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) aus dem Fenster gelehnt mit seiner Ankündigung, an diesem Projekt im Sinne der Zukunftssicherung unter allen Umständen festzuhalten.

Der plötzliche Rückzieher, überraschend am Montagabend verkündet, ist nun nicht nur peinlich für den Oberbürgermeister. Über den Einzelfall hinaus ist der Fall auch eine Zäsur, die der Stadtpolitik noch reichlich zu schaffen machen dürfte. Denn wie weit her es wirklich ist mit den nur auf den ersten Blick klaren Ansagen aus dem Rathaus, haben die Truderinger Rebellen erfolgreich getestet. Die Retter der Unnützwiese werten alle Bürgerinitiativen auf, die sich nach eher frustrierenden Monaten zuletzt vor allem in der Defensive sahen - ob es um den Haidhauser Kampf gegen die S-Bahn-Stammstrecke oder das Ringen der Altstadtfreunde um die Erhaltung der Tierklinik-Gebäude am Englischen Garten ging.

Dass es in Markus Blume ein CSU-(Landes-)Politiker war, der den allgemeinen Protest in eine planungsrechtlich relevante Form gegossen hat, wird das ohnehin belastete Verhältnis in der Rathaus-Koalition nicht gerade verbessern. Die Milbertshofener Nachbarn des Bolzplatzes am Frankfurter Ring haben einen solchen Anwalt ihrer Interessen vergeblich gesucht. Sie bekommen den ihnen aufgedrängten Wohnblock und dürfen froh sein, dass sie noch einen Rest vom Bolzplatz behalten dürfen. Alle künftigen Standorte für schnell und preiswert herzustellenden Wohnraum werden sich wohl dennoch erst einmal dem Stresstest der vermutlich flugs sich formierenden Gegnerschaft zu stellen haben - schon aus Prinzip, und weil sich's ja lohnen kann.

Die Truderinger wird das nicht davor bewahren, dass Experten nun auf die Suche nach Ersatz gehen - der nächste Konflikt ist programmiert.

© SZ vom 29.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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