Kommentar:Notwendige Orte der Begegnung

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Zu wenige, zu klein oder gar nicht da: Versammlungsmöglichkeiten für Bürger gehören in den Quartieren zur Daseinsvorsorge - auch wenn diese etwas kostet

Von Thomas Kronewiter

Dem regelmäßigen Gast bei Münchens Bürgerversammlungen fällt auf, dass die Stadt stellenweise Probleme hat mit ihren Versammlungsstätten. Oft genug müssen für einschlägige Termine Turnhallen gebucht werden mit mehr oder minder leistungsfähiger Heizung, Schulaulen, an besonders nachgefragten Informations- oder Diskussionsabenden hat es wegen des nicht zu bewältigenden Andrangs schon Wiederholungsversammlungen gegeben. Oder, wie im Falle des Anwohner-Abends zur S-Bahn-Stammstrecke, sogar eine Absage mit Terminverschiebung.

Die Probleme entstehen in der dicht bebauten Innenstadt mit ihrem urbanen Angebot mitunter ebenso wie am Stadtrand. Wo versammelten sich die Freimanner, gäbe es nicht das Messezentrum MOC? Wohin mit den Feldmochingern ohne die Fagana-Mehrzweckhalle an der Georg-Zech-Allee? Was täten die Bogenhauser ohne die Turnhallen der ortsansässigen Realschule beziehungsweise des Wilhelm-Hausenstein-Gymnasiums? Doch halt - die Bogenhauser sollen ja nun im Prinz-Eugen-Park in einem Bürgerzentrum einen Saal für 300 Gäste bekommen. Dass daraus in einem Versuch des Stadtrats, Geld einzusparen, vorübergehend 200 wurden, ist zwar nach der jüngsten Kehrtwende im Rathaus wieder vom Tisch. Es zeigt aber exemplarisch, wie Verantwortliche mit Orten umgehen, deren Auslastung nicht generell jeden Abend garantiert ist, die vor allem kosten und keine Rendite bringen.

Letzteres ist für jeden Privatinvestor ein Totschlagargument. Kein Bauträger, der für sich selbst plant, wird so einen Saal in einem eigenen Baufeld einplanen - es sei denn, er würde genau dafür angeheuert. Das inzwischen dicht geknüpfte Netz der Kultur-Treffpunkte in den Stadtvierteln hat mehrere geeignete Orte der Begegnung geschaffen. Aber zwischen dem großzügigen Saal des Milbertshofener Kulturhauses und der wesentlich kleineren Gepäckhalle des Giesinger Bahnhofs klaffen Welten. Insofern ist der Pasinger Widerstand gegen ein ersatzloses Abräumen des Saals im Gasthof Zur Post nur zu verständlich.

Genug Versammlungsmöglichkeiten in Quartieren, die jedes für sich Bevölkerungszahlen einer Klein- oder Mittelstadt aufweisen, zählen zur Daseinsvorsorge. Einfach abzureißen, um dann irgendwann den Mangel zu konstatieren, ist im doppelten Sinne zu billig. Begegnungsmöglichkeiten sind so wichtig wie Frischluft in Parks und auf Plätzen zwischen den Häuserzeilen.

© SZ vom 16.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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