Kommentar:Neue Gäste braucht die Stadt

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Erstmals seit Langem kommen weniger Touristen nach München als im Vorjahr. Die Hoteliers sollten sich nicht mehr nur um zahlungskräftiges Publikum aus Übersee bemühen

Von Pia Ratzesberger

Ein Hotelier musste sich in dieser Stadt lange Zeit keine Sorgen machen, immer kamen noch mehr Gäste. Das Bild des pittoresken Münchens zog die Reisenden aus dem Ausland an, die Wiesn ohnehin. Auch das Bild einer sicheren Stadt reizte, die man ohne Furcht erkundet. Um fünf Prozent stiegen die Übernachtungszahlen im Schnitt von Jahr zu Jahr. 2016 aber hat sich das geändert, im Jahr des Terrors in Europa und des Münchner Amoklaufs: Seit dem Sommer reisten weniger Gäste aus dem Ausland an. Die Zahl der Übernachtungen brach ein. Das zeigt, dass der Erfolg des Münchner Tourismus angreifbar ist. Und dass sich Unternehmer nicht nur auf die Gäste aus der Ferne verlassen dürfen.

Während die Hoteliers nun mit stagnierenden oder rückläufigen Buchungen zurechtkommen müssen, entstehen in der Stadt immer noch neue Unterkünfte. Im vergangenen Jahrzehnt sind innerhalb eines Jahres im Schnitt mehr als 2000 Betten hinzugekommen, in den vergangenen Monaten haben mehr als acht Hotels eröffnet. Die Unternehmer setzen weiterhin auf stetes Wachstum, dabei ist ihnen das längst nicht mehr sicher. Wenn in Paris oder Brüssel eine Bombe zündet, unterscheidet ein Gast aus den USA oder China im Zweifelsfall nicht zwischen Frankreich und Bayern, für ihn gilt dann Europa als unsicher. Gegen dieses Gefühl helfen keine Werbekampagnen, dagegen kommt auch die Tourismus-Abteilung der Stadt nicht an.

Die Hoteliers also sollten sich nicht nur um das zahlungskräftige Klientel aus Übersee bemühen, sondern noch mehr um die Gäste werben, die sehr wohl zwischen Paris und München differenzieren: die Gäste aus Deutschland und Bayern. Die können vielleicht nicht jedes Jahr 2000 neue Betten füllen. Aber ausgleichen, dass die Reisenden aus dem Ausland fernbleiben.

© SZ vom 20.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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