Kommentar:Mit der Brechstange

Im Streit um den Ausstieg aus der Steinkohle wird abermals viel Vertrauen verspielt

Von Heiner Effern

Im Streit um den Ausstieg aus der Steinkohle gehen nun die Stadtwerke in die Offensive. Dabei gehen sie mit der Brechstange vor, um aus dem Dilemma herauszukommen, das sie nicht zu verantworten, zu dem sie aber beigetragen haben. Die Stadt muss laut Bürgerentscheid vom November 2017 schon Ende 2022 raus aus der Steinkohle. Das Datum ist nicht zu halten, bis heute haben sich die Stadtwerke und die Steinkohle-Gegner nicht auf ein fixes Ausstiegsdatum und -szenario geeinigt. Das liegt an rechtlichen Voraussetzungen, technischen Schwierigkeiten und einer irritierenden Art und Weise, miteinander umzugehen.

Das Bündnis "Raus aus der Steinkohle" stellt die Stadtwerke gerne dar wie eine Lügen-Maschine. Ständig ist von "Nebelkerzen" die Rede, wie jetzt wieder. Gefühlt wird praktisch jede Zahl und jede technische Angabe angezweifelt. Die Stadtwerke wiederum haben das lukrative Geschäft mit der Steinkohle nicht gerade im Schnellgang heruntergefahren. Sie haben der Öffentlichkeit bisher nicht schlüssig erklärt, wieso der letzte, weitgehende Kompromiss nicht schon viel früher umzusetzen gewesen wäre. Da lag der Bürgerentscheid schon mehr als zwei Jahre zurück.

Nun fühlen sich die Stadtwerke offenbar so getrieben, dass sie gegen den einstimmigen Beschluss der Gemeinde Unterföhring ein Gas-Kraftwerk auf deren Grund bauen wollen. Das Recht dazu könnte ein Bundesgesetz bieten, politisch ist es äußerst heikel. Ob es ökologisch sinnvoll ist, darüber wird wieder gestritten. Der normale Bürger hat in diesem Streit längst den Überblick verloren. Die viel beschworene Versorgungskrise ist für ihn bis jetzt noch sehr abstrakt, die Vertrauenskrise in Bezug auf die handelnden Akteure nicht.

© SZ vom 30.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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