Kommentar:Mehr als eine simple Sanierung

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Ein Bauunternehmer mit Geschichtsbewusstsein will den alten Derzbachhof in Forstenried erwerben

Von Jürgen Wolfram

Auf den ersten Blick ist es eine gute, beinahe erlösende Nachricht: Ein Bauunternehmer mit Geschichtsbewusstsein will den mehr als zweieinhalb Jahrhunderte alten Derzbachhof in Forstenried erwerben und vor dem Verfall bewahren. Die Absicht klingt umso verheißungsvoller, als Stefan Höglmaier und seine Firma Euroboden schon mal ein vergleichbares Projekt zur allgemeinen Zufriedenheit realisiert haben: die Sanierung des Schusterbauernhauses in Alt-Riem, arrondiert um die Schaffung von Wohnraum. Ein Konzept mit historischem Hintergrund, das kaum besser in die Gegenwart passen könnte.

Verglichen mit dem Referenzmodell im Münchner Osten erscheint die geplante Umkehrung des Forstenrieder Trauerspiels in sein Gegenteil jedoch als die deutlich anspruchsvollere Aufgabe. Denn im Ortskern des südlichen Stadtteils steht mehr auf dem Spiel als die - überfällige - Stabilisierung eines maroden Baudenkmals. An der Forstenrieder Allee ist vielmehr zu berücksichtigen, dass sich jedweder Rettungsversuch für den Derzbachhof in ein einzigartiges historisches Ensemble einfügen müsste. Das charakteristische Bild mit Kernelementen wie dem alten Forstbetrieb, der Heilig-Kreuz-Kirche und dem verwunschenen Schulbau darf keinen Schaden nehmen. Insofern wird es mit einer gründlichen Renovierung des Zeugnisses bäuerlicher Baukultur sowie eines halbwegs gefällig gestalteten Anbaus für Wohnzwecke nicht getan sein. Planerische Fantasie, architektonisches Fingerspitzengefühl und politische Wachsamkeit sind gefragt, damit am Ende nicht kommerzielle Akzente den Gesamteindruck trüben. Die bisherigen Eigentümer verfügten bereits über die Option der Wohnnebennutzung und ließen sie ungenutzt - ein Hinweis auf die Komplexität der Herausforderung.

Um den Charme des Ensembles baulicher Preziosen vor Einbußen zu schützen, sind auch die Denkmalbehörden aufgerufen, den Blick nach Forstenried zu richten. Sie machen angeblich seit Längerem Druck auf die Derzbachhof-Eigentümer, ihrer gesetzlichen Pflicht zum Erhalt des ältesten Münchner Bauernhauses nachzukommen. Daran gemessen ist bisher erschreckend wenig passiert. Der Übernahmevorschlag Stefan Höglmaiers könnte ein Signal sein, die im Wortsinn historische Aufgabe endlich mit Verve anzugehen.

© SZ vom 02.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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