Kommentar:Konstruktiver Dialog ist gefragt

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Das Dilemma der Turnerschaft Jahn zwischen Wohnungsbau und Freiflächenerhaltung wiederholt sich in der ganzen Stadt - eine Folge des Wachstumsdrucks

Von Stefan Mühleisen

Es klingt zunächst nach einem sehr guten Deal: Die Turnerschaft Jahn verkauft ihr Grundstück an der Freisinger Landstraße, damit die Stadt ein größeres Wohngebiet, der Verein seine Dreifachturnhalle bauen kann. Sogar die Bevölkerung steht dahinter. Auf den ersten Blick könnte das doch eine wahrhaft salomonischen Lösung sein. Für eine Stadt, die kaum hinterherkommt mit dem Wohnungsbau. Für einen Verein, der dringend Geld für Hallenkapazitäten braucht. Für eine Bürgerschaft, die eine Golfanlage kaum, eine Sporthalle dagegen sehr gut gebrauchen kann. Doch so einfach ist es nicht.

Die Lösung klingt zwar nach Win-Win-Situation, doch es gibt auch Verluste: Zugebaut würde eine Fläche, die von einer Golfanlage auch zur Erholungs- oder Sportfläche umgestaltet werden könnte. Ein gewichtiges Argument angesichts des Wachstumsschubs, der dem Münchner Norden ins Haus steht. Allein auf dem Gelände der ehemalige Bayernkaserne kommen Tausende Neubürger hinzu. Diese Menschen verdienen ein lebenswertes Umfeld - und dazu zählt zweifelsfrei ein attraktives Freizeit- und Sportangebot. Andererseits: Wie soll die Turnerschaft das bereitstellen, wenn der Verein nur durch den Verkauf des Grundstücks und der Bebauung des Areals in die Zukunft investieren kann? Ein Dilemma, das über die Grenzen von Freimann hinausweist.

Dieser Fall wirft ein Schlaglicht auf den Schlamassel, vor dem Stadt und Stadtgesellschaft stehen: München braucht Wohnungen - doch um welchen Preis? Seit Jahren werden überall in Hinterhöfe Häuser hineingezwängt, Stadtgärten müssen weichen. In den Gartenstädten, in Solln oder Harlaching, sind die Bürger deshalb bereits auf die Barrikaden gegangen. In Milbertshofen protestierten Anwohner dagegen, dass ein Bolzplatz einem neuen Quartier weichen soll. Erholungsraum und Sportfläche steht gegen Versiegelung und Neubau - oft ein Gordischer Knoten, den der Stadtrat zu durchschlagen hat.

Sich Zeit zu nehmen, hat auch im Fall Freimann nichts mit Zaudern zu tun: Es gilt immer wieder, das richtige Maß zu finden. Das ist anstrengend und geht mitunter nicht ohne Enttäuschungen ab - siehe den verbitterten Bezirksausschuss Schwabing-Freimann. Doch das Lokalgremium sollte jetzt die Zähne zusammenbeißen und dann die Hand zum Dialog reichen. Ein vermittelndes, klug abwägendes Stadtteilgremium wäre für eine allseits akzeptierte Lösung hilfreich.

© SZ vom 12.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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