Kommentar:Klartext wäre nötig

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Die für 60 Millionen Euro neugebaute Grundschule an der Paul-Gerhardt-Allee soll erstmal leer stehen, weil es zu wenige Kinder zum Unterrichten gibt. Und jetzt? Die Kommunikation der Beteiligten dazu ist irritierend

Von Jutta Czeguhn

Man möchte kein Schulplaner sein. Einer der undankbarsten Jobs des Planeten, dabei eine der wichtigsten, irgendwo angesiedelt zwischen höherer Mathematik und Glaskugel-Deuterei. Was immer man tut, am Ende sind eh wieder alle beleidigt oder schäumen, wie gerade im Fall der Menzinger Erdbeeren-Wiese. Bei der Grundschule an der Hermine-von-Parish-Straße - die Namensgeberin war übrigens eine leidenschaftliche Mode- und Kostümsammlerin - war alles so stimmig aufs Gleis gesetzt. Wie oft hatte man bei großen Siedlungsprojekten erlebt, dass die Leute eingezogen waren, die Infrastruktur aber noch auf sich warten ließ. Diesmal sollte alles fertig sein für die Kinder im neuen Großquartier.

Doch nun das: Die Grundschule könnte zum Herbst loslegen, allein es fehlen die Schüler. In einem Wohngebiet, in dem im Endausbau einmal bis zu 6000 Menschen leben werden, lassen sich fürs kommende Schuljahr gerade einmal 25 Erstklässler zusammenkratzen. Da lohnt die Eröffnung nicht, sagt das Kultusministerium und nennt als Richtzahl 180 Schüler. Die Schule bleibt zu, ihr Start ist verschoben bis Herbst 2022.

Leerstand also bei einem 60-Millionen-Euro-Bau. Verständlich die Empörung der Eltern im Norden des Stadtbezirks, die seit Jahren miterleben müssen, wie ihre Kinder in den Grundschulen einer notorischen Raumnot ausgesetzt sind. Kein Wunder, dass die Stadtteilpolitiker nun Alarm schlagen und die Klagen nun sogar Minister Piazolo erreicht haben. Die fertige Grundschule solle zumindest Ausweichquartier für die beiden anderen nahen Schulen, jene an der Oselstraße und an der Grandlstraße, werden.

Irritierend ist es da, dass sowohl das Ministerium als auch die Stadt als Sachaufwandsträger angeben, man habe bei den Rektorinnen der beiden Grundschulen nachgefragt und die Antwort bekommen: Nicht notwendig, wir kommen zurecht. Öffentlich äußern wollen sich die Schulleiterinnen dazu nicht. Sie verweisen lediglich auf ihre höhere Dienststelle. Dabei wäre es in so einer Situation das Gebot der Stunde, Klartext zu reden. Viele Pasingerinnen und Pasinger werden sich da an Christian Marek, den ehemaligen Rektor der Oselschule, erinnern. Marek hatte wenig Scheu, an höherer Stelle anzuecken, wenn es darum ging, für seine Schulfamilie zu kämpfen. Da konnte es passieren, dass er in Bürgerversammlungen das Wort ergriff und sehr sachlich über drastische Dinge berichtete: Etwa, dass in den Räumen der ersten Klassen Spülmaschinen untergebracht seien oder man die Kinder um 11.20 Uhr zum Sportunterricht schicken müsse, damit die Mittagsbetreuung ihre Klassenzimmer nutzen könne. Die Situation an der Schule mag sich seither zum Besseren gewandelt haben. Doch kann sie so gut sein, dass man das Angebot ablehnt, ein nagelneues Ausweichquartier zu nutzen?

© SZ vom 30.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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