Kommentar:Jedes Jahr ein Milliardengrab

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Der tägliche Stau auf Münchens Straßen richtet enormen volkswirtschaftlichen Schaden an. Deshalb muss in Infrastruktur investiert werden - für den öffentlichen Nahverkehr

Von Kassian Stroh

An dieser Stelle ein Warnhinweis: Der nachfolgende Text basiert auf Zahlen, und diese sind wie immer mindestens zu hinterfragen. München entstehe jedes Jahr ein gesamtwirtschaftlicher Schaden von nahezu zwei Milliarden Euro allein durch die Staus auf den Straßen - das haben die Experten des Verkehrsdatendienstleisters Inrix errechnet. Klar: Im Stau zu stehen, ist nervig, für Unternehmen wie Einzelne teuer, wenn Besprechungen platzen oder die Babysitterin länger bleiben muss - das ist alles eine Binsenweisheit. Aber wer kann den Schaden schon auf den Euro genau berechnen, auf exakt 2418 Euro für jeden Münchner Autofahrer, wie es Inrix getan hat? Ganz abgesehen davon, dass es Menschen geben soll, die einem Stau auch Positives abgewinnen können, weil er einem mehr Zeit vergönnt, in Ruhe guten Jazz zu hören.

Ganz gleich, ob der volkswirtschaftliche Schaden pro Jahr bei 1,5, zwei oder gar drei Milliarden Euro liegt: Münchens Stau-Problem ist riesig. Und es relativiert viele andere Probleme, mit denen sich die (Verkehrs-) Politik jeden Tag herumschlägt. Um nur ein Beispiel zu nennen: Die neue S-Bahn-Stammstrecke soll 3,1 bis 3,8 Milliarden Euro kosten. Die Gegner des zweiten Tunnels sprechen deshalb von einem "Milliardengrab" und prangern Geldverschwendung an. Aber das ist das Projekt eben nicht, wenn man sich vor Augen führt, welche Milliardenkosten jedes Jahr anfallen, wenn alles so schlecht bleibt, wie es ist. Zumal da ein Projekt wie der zweite Tunnel seinen Nutzen über Jahrzehnte entfaltet.

Der Großraum München wächst und mit ihm sein Verkehrsproblem. Jeden Tag. Zumindest gelindert werden kann dies nur, wenn in die Verkehrsinfrastruktur viel Geld investiert wird. Vor allem in den öffentlichen Nahverkehr, denn das Straßennetz ist kaum noch zu erweitern. Man muss den Stau-Malus nicht auf den Euro genau beziffern, um zu wissen: Die Kosten des Nichts-Tuns liegen höher.

© SZ vom 21.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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