Kommentar:Ins Herz des Viertels

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Jahrzehnte nach den ersten Überlegungen bleibt zu wenig vom geplanten Laimer Kulturzentrum übrig - und das Wenige soll auch noch für Sendling-Westpark reichen

Von Andrea Schlaier

Es gibt Mitglieder im Laimer Bezirksausschuss, die waren noch gar nicht geboren, als der Antrag auf ein bürgerschaftliches Zentrum zum ersten Mal gestellt wurde. Mitte der Siebzigerjahre wollte man endlich Leben in die Gegend bringen, die als Schlafstube der Großstadt galt. Raus aus den Federn und dem "kulturellen Niemandsland". Bitter nur: Zig Nachbarn ringsum haben seither ein Kulturhaus mit städtischer Hilfe hochgezogen. In Laim steht auch nach 40 Jahren nichts. Abgesehen vom kleinen Veranstaltungshäuschen Interim, das einzig dem Engagement einer aktiven Zelle aus Privatiers zu verdanken ist. Eine Bühne, vor der mehr als 100 Menschen Platz nehmen können? Fehlanzeige. 2015 mussten die Laimer gar zwei Bürgerversammlungen hintereinander abhalten, weil sie keinen Raum hatten, der groß genug war, alle Interessierten zu fassen. Und nach 40 Jahren des Ringens bietet die Stadt den Laimern nun dies an: eine Kultur-Etage in einem Neubau im Gewerbegebiet auf Sendlinger (!) Flur, mit wenig Platz, wenig Charme, einer Kita und städtischen Büros unterm Dach, ab vom Schuss.

Warum schaffen es Stadt und Viertelvertreter in bald einem halben Jahrhundert nicht, etwas Brauchbares auf die Beine zu stellen? Im Rathaus verweist man in Endlosschleifen mal auf die klamme Stadtkasse, schlechte Zeiten, fehlende Grundstücke. Dabei war jahrzehntelang eine Fläche eigens für ein Kulturhaus reserviert worden, an der Hogenbergstraße hinter der Stadtbibliothek. Doch als das Bauen virulent wurde, knipste eine Nachbarschaftsklage dem Projekt das Licht aus. Alles also wieder auf Null.

Der Kampfgeist der Stadtviertelpolitik ist darob erlahmt - wen wundert's. Einerseits. Andererseits ließe sich exakt jetzt mit Verve und Kreativität womöglich etwas ausrichten. Auf dem Plateau des einstigen Tram-Depots an der Zschokkestraße gibt es derzeit ebenfalls einen Neustart - für die Entwicklung eines Wohn- und Geschäftsquartiers samt sozialer Infrastruktur. Mit gesundem Planerverstand sollte sich dort ein attraktiver, räumlich vertretbarer Kultur-Treff innerhalb der Laimer Gesellschaft realisieren lassen. Stattdessen nickt man im Bezirksausschuss die nahezu absurd anmutende Minimal-Lösung der Verwaltung im Outback ab. Nach 40 Jahren im "kulturellen Niemandsland" ist es nicht nur das Recht des Gremiums, eine anständige Adresse zu fordern. Es ist sein politischer Auftrag.

© SZ vom 15.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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