Kommentar:In zehn Jahren wird alles gut

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Ein Blick in das München des Jahres 2027: Der OB weiht die neue S-Bahn-Röhre und den sanierten Gasteig ein und freut sich über Weißwürste aus dem 3-D-Drucker

Von Karl Forster

Der Tag hat gut begonnen. Es gab Pillenbrezn von Mars Incorporated, respektive der kleinen Filiale des Weltkonzerns, der sich schon seit Jahren exklusiv um die Ernährung der Münchner kümmert. Die Weißwürste aus dem 3-D-Drucker waren auf den Punkt erhitzt, das vegane Weißbier schäumte wunderbar dank des Soap-Stabilizers aus dem Konzern-Labor. Und so kann sich Münchens Oberbürgermeister gestärkt ins Rathaus begeben, um den Jubeltag zu begehen. Es gilt, an diesem 5. April 2027 das Jubiläum von Münchens Wiederauferstehung zu feiern. Denn exakt vor zehn Jahren, am 5. April 2017, hatten Stadt, Freistaat und Bahn schließlich die Weichen gestellt für Münchens goldene Zukunft.

Es wird eine lange Rede des OB werden, solang, dass sie an mehreren Orten stattfindet: Im gerade wiedereröffneten Gasteig lobt er das "modernste Kulturzentrum und den wunderbarsten Konzertsaal Europas". Danach, im Konzerthaus auf dem Mars-Park-Ost (MPO), ehemals Pfanni, spricht er im fast fertigen, "demnächst wunderbarsten Konzertsaal der Alten Welt". Mit der S-Bahn fährt er nun in die niegelnagelneue Zweitstammröhre ein, die mit nur einem Jahr Verspätung fast fertig ist. Nur dass auf Höhe Wörthstraße die Röhre nach links abbiegt in Richtung Erststammröhre, weil findige Haidhauser 2019 eine seltene Gänseblumart an der Milchstraße entdeckt hatten, die ihre Wurzeln 40 Meter in die Tiefe streckt. Das reichte, um den Tunnel zu stoppen.

Auf dem Weg raus ins frisch eingeweihte Lebensraum-Paradies Freiham lobt der OB noch das eben eröffnete Volkstheater auf dem Mars-Gelände, dem einstigen Viehhof, gratuliert den Sechzigern zur städtischen Frauenhallenfußballmeisterschaft (der FC Bayern ist längst nach McLean, Virginia, umgezogen, der Heimat von Mars Incorporated). Am Ende blickt er in die nahe Zukunft: Ja, man werde die Fahrradwege ausbauen, man arbeite daran, den Drei-Tage-Stau auf dem Mittleren Ring aufzulösen. Und auf der Wiesn solle man wieder echten Schweinsbraten anbieten, weil der aus dem 3-D-Drucker nicht artgerechter Tierhaltung entspreche. "Ein Prosit auf die nächsten zehn Jahre!"

© SZ vom 06.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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