Kommentar:Im Dickicht der Kompromisse

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Nach dem Dialogverfahren zum Naturschutzgebiet Fröttmaninger Heide: Erst hat der Münchner Stadtrat Verbesserungsvorschläge, nun legt auch die Regierung von Oberbayern einen neuen Verordnungstext vor

Von Thomas Kronewiter

Kompromiss und dessen Aufkündigung, Entwurf und neuer Entwurf - wer bei der Meinungsbildung zum Naturschutzgebiet Fröttmaninger Heide noch durchblickt, ist entweder ein direkt betroffener Freimanner Nachbar oder von Berufs wegen involviert. Nach dem Dialogverfahren und dessen Bilanz vergangenes Jahr spreizte sich erst der Münchner Stadtrat mit Nachbesserungswünschen ein, nun hat die Regierung von Oberbayern als Herr des Verfahrens einen neuen Verordnungstext vorgelegt.

Dass dessen Entwurf nun wieder zur Debatte frei gegeben werden muss, ist nur konsequent - schließlich kann man nicht ankündigen, alle Interessierten zu Wort kommen zu lassen, um am Ende dann doch selbstherrlich zu entscheiden. Die erste Bilanz, die man nun ziehen kann, da die Regierung sich nach den jüngsten Einwänden erstmals öffentlich positioniert, fällt gleichwohl gemischt aus.

Jawohl, die Regierung hat den Versuch, nicht nur Verbände und Politiker zu Wort kommen zu lassen, bis zum Ende durchgezogen. Ein Prozess, der allerdings auch manchen Verfahrensbeteiligten ernüchtert zurückließ, nicht nur wegen der langen Dauer der 2012 begonnenen Debatte. Das Ergebnis ist indes nicht der erhoffte, von allen Seiten getragene Kompromiss. Wer den Naturschutz im Vordergrund sieht, übt nach wie vor zum Teil scharfe Kritik. Wer sich eher für Naherholung und liberale Betretungs-Regeln einsetzt, dem gehen die Ausnahmen nicht weit genug.

Problematisch dürfte sein, wie kompliziert die Details ausfallen. Wer kontrolliert, wenn der Heide-Gast über die Pufferzone hinaus marschiert? Wer interessiert sich für die Länge von Hundeleinen? Was macht ein Heide-Wart, der einen Gassigeher antrifft ohne Hundeführerschein - und der sich anhören muss, das Papier liege zu Hause? Am Ende mag ein sorgfältig verfasster Rechtstext stehen, der aber dem einmal auftauchenden Motocross-Fahrer genauso gleichgültig sein dürfte wie dem Heide-Nachbarn. Dann ist zwar der Form Genüge getan. Ob den Freimannern noch ihr Heide-Erlebnis bleibt, steht aber dahin. Ebenso wie die Frage, ob Flora und Fauna vom Naturschutz profitieren. Denn nach dessen Anordnung wird sich etwas Bahn brechen, was man die normative Kraft des Faktischen nennt.

© SZ vom 20.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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