Kommentar:Höchste Zeit für das Wagnis

Das Projekt einer Fußgängerzone in der Sendlinger Straße droht zerredet zu werden

Von Alfred Dürr

Die Zaghaftigkeit des Stadtrats rächt sich nun, denn mit der Fußgängerzone Sendlinger Straße geht nichts voran. Es war keine Überraschung mehr, dass die Altstadt-Bürgerversammlung Ende vergangenen Jahres die Umwandlung der Straße in ein autofreies Gebiet ablehnte. Die eloquent vorgetragenen Argumente der Anwohner, die eingeschränkte Zufahrtsmöglichkeiten mit dem Auto fürchteten, waren längst bekannt und ausdiskutiert. Die Befürworter einer Verkehrsberuhigung meldeten sich gar nicht zu Wort, und die Politiker, die das Experiment Sendlinger Straße wagen wollten, schwiegen. Ruckzuck wurde die Entscheidung von der Tagesordnung des Stadtrats abgesetzt. CSU und SPD waren sich da völlig einig.

Anstatt offensiv die Vorteile der von einer großen Mehrheit im Stadtrat gewünschten Fußgängerzone zu vertreten, knickten die Rathauspolitiker vor dem Widerspruch ein. Der Bezirksausschuss findet jetzt zu keiner einheitlichen Linie. Die Folge ist fatal: Das Projekt Sendlinger Straße droht zerredet und auf die lange Bank geschoben zu werden. Der Bezirksausschuss und die Verwaltung haben die Anliegen der Anwohner sehr wohl ernst genommen und sich mit Detailfragen auseinandergesetzt. Die Argumente sind ausgetauscht. Nichts spricht dagegen, das auf ein Jahr befristete Experiment zu wagen.

Zeit und Steuergelder dürfen nicht verschwendet werden. Teure Gutachten und zeitraubende Workshops werden keine neuen Erkenntnisse bringen. Darüber müssen sich die Lokalpolitiker des Bezirksausschusses im Klaren sein. Dieses Gremium vertritt die Interessen von protestierenden Anwohnern. Aber es geht um weit mehr: Diese Fußgängerzone betrifft viele Münchner. Sie und ihre Gäste könnten diesen wichtigen Teil der Altstadt künftig besser genießen.

© SZ vom 14.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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