Kommentar:Hausgemachtes Handicap

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In der Laimer Queristraße soll ein wuchtiger Neubau entstehen, der dem Gartenstadt-Charakter der Straße zuwiderläuft. Leider hat es die Stadt bis heute  nicht geschafft, ein Instrument zu entwickeln, das solche Exzesse verhindert

Von Andrea Schlaier

Spitzdachhäuschen, Garten, Spitzdachhäuschen, Garten, Doppel-Spitzdachhäuschen, Garten - so geht es dahin in der Laimer Queristraße und streckenweise auch drumherum. Dazwischen findet sich mal ein neu interpretiertes Familiendomizil mit modernen Anbauten, aber der Rhythmus dieser Siedlung ist seit ihrer Entstehungszeit 1936 lesbar. Noch immer. Doch zunehmend kommt dieser Rhythmus dort, wie in anderen vergleichbar grünen Eigenheimergegenden der Stadt, aus dem Takt. Oft dann, wenn betagte Hausleute weichen, die Grundstücke in andere Hände übergehen und sich die SUVs unter den Neubauten in die Landschaft spreizen: Ellbogen raus, nicht links und rechts schauen und so breitmachen, wie es das Baurecht maximal zulässt.

Um die in München verbliebenen, homogenen Gartenstadtstrukturen auch davor zu schützen und sie als Gesicht eines Gebietes zu bewahren, haben Stadtplaner in Kooperation mit externen Architekten aufwendig einen Regelkatalog erarbeitet, der in ausgewählten Zonen fortan greifen soll: den Rahmenplan als klare Leitlinie, was zur Verteidigung gebauter Zeit-Zeugen des Wohnens erlaubt wird und was nicht. Ein Handwerkszeug also zur Steuerung der Entwicklung in Vierteln mit ganz eigener Identität und hoher Lebensqualität. Die entsprechende Beratung offeriert die Lokalbaukommission als Genehmigungsbehörde gleich mit. Dabei ist eine zeitgenössische architektonische Auslegung ausdrücklich gestattet.

Wer sich nicht an flankierende Vorgaben hält, kriegt kein Okay. Oder klagt dagegen, wenn er Geld investieren will. Denn der Rahmenplan ist im Wesentlichen ein Kommunikationsinstrument und juristisch nicht bindend. Das ist, wenn man so will, seine strukturelle Achillesferse.

Dass nun ausgerechnet die Behörde, die eine geschichtsvergessene Verdichtung auch an der Queristraße vereiteln will, genau dort, einen das bestehende, auch ästhetische Maß sprengenden Neubau genehmigt hat, ist für die angrenzenden Nachbarn nicht nur bitter, sondern juristisch nicht nachvollziehbar. Selbst wenn der Behördenchef die erteilte Zustimmung bedauernd noch auf Zeiten vor dem Rahmenplan datiert, bleibt die Frage, warum ein wuchtiger Dreistöcker, der in der Siedlung baurechtlich ohne "Vorbild" sei, überhaupt je gestattet wurde. Denn: Steht er einmal, taugt er künftigen Nachahmern juristisch als Referenzgröße. Bauherren, denen es am Bewusstsein für ein bestehendes Ensemble mangelt, nicht aber am Kleingeld zur Klage, könnten damit in SUV-Manier den Siedlungscharakter sprengen.

Daraus aber abzuleiten, wie es ein Laimer Nachbar tut, dass auch er mit seinem angestrebten Neubau nicht im Rahmen bleiben muss, wenn andere diesen überschreiten, zeugt vom Grundübel des hitzigen Ringens um Lebensraum in dieser teuren Stadt: Jeder ist sich selbst der Nächste. Gleich ob Privatmann oder Investor. Mit Hilfe des Rahmenplans ließe sich künftig zwar moderierend vermitteln. Ob dieses neu ersonnene Instrument allerdings stark genug ist, dem Siedlungsdruck auch in Münchens grünen Quartieren standzuhalten und damit diese charakteristischen Oasen vor der grassierenden Beliebigkeit zu schützen, muss sich erst noch zeigen.

© SZ vom 23.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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