Kommentar:Hände weg von den Bänken

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Würden immer dann Sitzgelegenheiten abgebaut, wenn Anwohner sich über lärmende Jugendliche ärgern, gäbe es vermutlich im ganzen Stadtgebiet keine mehr

Von Thomas Kronewiter

Neulich erst am Harlachinger Kuntersweg, danach am Hans-Mielich-Platz, und nun auch vor dem Musikclub "Milla" und am Truderinger Bahnhof: Würden immer dann Bänke abgebaut und Treffpunkte zerstört, wenn Anwohner sich über lärmende Jugendliche, Kneipengäste auf dem Heimweg oder sogenannte Wohnungsflüchter ärgern, gäbe es vermutlich im ganzen Stadtgebiet keine mehr. Frieden erreicht man so aber nicht. Denn der Protest setzt sich in vielen Fällen zyklisch fort: Oft genug melden sich in einer zweiten Welle Münchner, denen die Sitz- und Ruhemöglichkeiten ganz wichtig sind. Die sie - so sie tatsächlich abgebaut sein sollten - dann vermissen und für ihre Rückkehr plädieren. Geschieht das, kann man darauf wetten, dass als nächstes wieder die lärmempfindlichen Nachbarn ihre Stimmen erheben. Und so weiter, und von vorn.

Die immer wieder geforderte Maßnahme "Bank-Abbau" sollte aus dem Katalog der Eingriffsmöglichkeiten ganz gestrichen werden. Immerhin hat die Stadt München im Allparteilichen Konfliktmanagement (Akim) eine inzwischen gut etablierte Mediatoren-Gruppe, die sich der Zusammenstöße annehmen kann. Wo sollen denn Sitzbänke stehen, wenn nicht auf Plätzen und in Grünanlagen? Sie abzubauen, bringt allenfalls dem etwas, der unmittelbar daneben wohnt. Ist die Bank weg, sind es nicht unbedingt die, die vorher darauf saßen, auch. Die suchen sich den nächsten Spielplatz oder die nächste Brunnenbrüstung und feiern dort munter weiter. Will man dann auch die Brunnen abmontieren und die Spielplätze jede Nacht auf das Alter ihrer Besucher kontrollieren? Letzteres mag stichprobenweise noch angehen - vor allem, wenn dort zerbrochene Glasflaschen oder Kanülen von Spritzen aufgetaucht sind. Aber die Fülle von Vorschlägen, die die Anwohner und der Bezirksausschuss Trudering-Riem gefunden haben, sollte auch so genügen - auch ohne dass man die Bänke wegnimmt. Und den bekannten Zyklus startet.

© SZ vom 22.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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