Kommentar:Für Eltern unzumutbar

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Was Eltern von der Hortplatzsuche berichten, ist niemandem zu zumuten. Auch im Grundschulbereich muss es einen Rechtsanspruch auf Betreuung geben

Von Melanie Staudinger

Die einen rennen von Kita zu Kita und fangen sich eine Absage nach der anderen ein. Den anderen wird empfohlen, sich doch einfach einen Babysitter zu nehmen. Und eine dritte Gruppe überlegt gar, den Job aufzugeben: Denn wenn der Erstklässler um halb zwölf vor der Tür steht, kann zumindest ein Elternteil in der Regel nicht mal mehr vernünftig halbtags arbeiten. Was Eltern von der Hortplatzsuche in München berichten, ist niemandem zuzumuten: Familien hängen monatelang in der Luft, weil sie nicht wissen, ob ihr Kind von September an eine Mittags- und Nachmittagsbetreuung hat. Und da geht es nicht mehr nur um Betreuungsfragen, sondern um die bloße Existenz in einer Stadt, in der Familien für eine Vier-Zimmer-Wohnung schnell mal 2000 Euro Miete bezahlen.

Doch warum gibt es eigentlich nicht genügend Plätze in all den Horten, Mittagsbetreuungen, Ganztagsklassen und Tagesheimen? Weil Personal fehlt, das die Kinder betreuen kann, können Gruppen nicht eröffnet werden. Weil Schulleiter keinen Nerv haben, Ganztagsklassen zu schaffen, gibt es an nicht einmal der Hälfte der Grundschulen ein entsprechendes Angebot. Weil der Freistaat das Problem der Ferienbetreuung nicht angeht, stehen Schulhäuser in der schulfreien Zeit leer und die Eltern drängen in Hort und Tagesheim, weil diese nicht 14 Wochen im Jahr geschlossen haben. 42 000 Grundschüler leben in München, für sie gibt es 33 214 Ganztagsplätze. Theoretisch könnten also drei von vier Kindern untergebracht werden. Praktisch aber gibt es an manchen Schulen zu viele und an anderen zu wenige Plätze. Die Betreuungslandschaft ist sehr vielfältig und damit leider sehr kompliziert.

Vor vier Jahren wurde der Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz eingeführt. Der hat zugleich den Bedarf an Ganztagsbetreuung generell wachsen lassen. Die Eltern haben ihr Leben danach ausgerichtet, dass sie ihren Sohn oder ihre Tochter erst um 17 oder 18 Uhr abholen. Sie konnten nicht wissen, dass sie in eine Falle laufen. Aus den damals Zweijährigen sind Sechsjährige geworden; die kommen jetzt in die Schule und stehen ohne Platz da. Das wäre zwar vor vier Jahren absehbar gewesen, richtig gekümmert aber hat es niemanden. Alle waren, so scheint es, vorrangig mit den Krippen beschäftigt. Das aber zeigt, dass es auch im Grundschulbereich einen Rechtsanspruch auf Betreuung geben muss - damit Freistaat und Kommunen sich mehr anstrengen. Und damit Eltern nicht mehr mit fadenscheinigen Ausreden vertröstet werden. Sie können nämlich nicht warten.

© SZ vom 14.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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