Kommentar:Fahrgäste abgehängt

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Die Zamdorfer, die nach der Anpassung des Busnetzes an die neue Steinhausen-Tram nun doppelt so lang in die Innenstadt unterwegs sind, beschweren sich zu Recht

Von Ulrike Steinbacher

Schon klar, es gibt immer Ärger, wenn die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) Buslinien neu ausrichtet, weil eine Tram eingesetzt oder eine U-Bahn verlängert wird. Das war so, als die Tram 23 zwischen Münchner Freiheit und Parkstadt Schwabing mehrere gut frequentierte Buslinien ersetzte, deren Fahrgäste zunächst nur noch alle zehn Minuten Anschluss hatten statt alle drei bis fünf. Das war so, als die U 3 bis Moosach verlängert wurde, und der Metrobus 50 deswegen nur noch bis zum OEZ fuhr, sodass mit einem Schlag ein ganzes Wohngebiet abgehängt war. Und das ist so, seit die Steinhausen-Tram südlich der Passauer Autobahn ins Gewerbegebiet fährt, und die Buslinien, die früher die Wohngebiete nördlich der Autobahn mit der Innenstadt verbanden, in Zubringer zur Straßenbahn umgewandelt wurden. Wer ins Zentrum will, fährt also jetzt erst einmal stadtauswärts und braucht dabei mindestens doppelt so lang wie früher. Kein Wunder, dass die Zamdorfer stocksauer sind.

Die MVG argumentiert, dass sie schwarze Zahlen schreiben muss und ein Parallelbetrieb sich nicht lohnt. Aber: Kann man wirklich von Parallelbetrieb sprechen, wenn zwischen Tram und Bus eine sechsspurige Autobahn liegt, und der Fußmarsch zur nächsten Haltestelle mindestens eine Viertelstunde dauert? Und: Sollte ein Verkehrsbetrieb nicht zuerst seine Fahrgäste im Blick haben und erst dann seine Bilanz? Die wird im Übrigen nicht besser, wenn die Leute wieder ins Auto steigen, statt den Bus zu nehmen. Auf Unkenntnis der Situation kann sich die MVG auch nicht herausreden: Schon im Januar 2014, knapp drei Jahre vor dem Start der Steinhausen-Tram, bekam sie Briefe aus der Schwarzwald-Siedlung, die auf das drohende Bus-Loch hinwiesen.

Man ist also geneigt, dem inzwischen verstorbenen Fahrgäste-Vertreter Andreas Nagel zuzustimmen, der der MVG einmal "fast vollständige Beratungsresistenz" attestierte. Die abgehängten Moosacher übrigens bekamen dann doch wieder einen Bus - nach Demonstrationen, Unterschriftenaktionen und hartnäckig wiederholten Anträgen in Bürgerversammlungen. Es dauerte fünf Jahre.

© SZ vom 11.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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