Kommentar:Endlich einmal Weltklasse

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Die Landtagsabgeordneten haben das einzig Richtige getan und den Planern mehr Zeit für das neue Konzerthaus gegeben

Von Gerhard Matzig

Von München und Bayern kann die Welt ja ganz generell lernen. Wie es geht. Zum Beispiel, wie man als selbsternannte Fahrrad-Hauptstadt ein Mobilitätskonzept haben kann, das so dynamisch ist wie ein Rad mit viereckigen Reifen. Oder wie man als Kulturland einen Naturschutz pflegen kann, der geradewegs auf das Ende von Natur und Kultur zusteuert. Und dann wären da noch die zahlreichen Politiker, in der Stadt wie im Land, von deren Botschaften (damit München München bleibt, damit Bayern Bayern bleibt) nie ganz klar ist, ob das Versprechen oder doch Drohungen sein sollen.

Der Tag der Landtagsentscheidung, den Konzerthaus-Spatenstich zu verschieben, ist daher einer, den man sich gerne merken wird. Es ist der Tag, an dem man vollkommen ironiefrei und absolut ernsthaft den Abgeordneten zuruft: Bravo! Was Ihr macht, ist Weltklasse! Es ist bahnbrechend, mutig und klug. Und souverän! Und ehrlich: Zugetraut hätte man's Euch jetzt nicht unbedingt.

Indem sich die Bauherren von dem ambitionierten, aber auch naiven Termin 2018 verabschieden, zeigt man an der Isar einer Welt der Großprojekte endlich einmal, wie man vorgeht, um klugerweise erst mal zurückzubleiben. Nämlich hinter Erwartungen und Terminen, die nichts mit Architektur, Baukultur oder gar seriösem Planen zu tun haben, weil sie immer schon vornehmlich politischer, rhetorischer, symbolischer und letztlich auch ziemlich närrischer Natur waren.

Von den Södereien in der Staatskanzlei muss man nicht angetan sein, um die Seehofereien jedenfalls in einem Punkt zu begrüßen: Der noch amtierende Ministerpräsident muss seinem Großsprech von einst (Spatenstich 2018) keine Taten mehr folgen lassen (weil: auch schon egal für ihn) und tut dem Projekt damit einen großen Gefallen. Alle, wirklich alle Großprojekte der Gegenwart - ob Berliner Flughafen, Hamburger Elbphilharmonie oder Stuttgart 21 - krankten oder kranken an zu viel Ehrgeiz und zu wenig Planung. Wer jetzt das Konzerthaus gründlich, angemessen und ohne Hast plant, kann am Ende zeigen wie das geht, das Ding mit der Baukultur. Nämlich so: erst planen, dann bauen.

© SZ vom 08.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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