Kommentar:Eltern nicht hängenlassen

Lesezeit: 1 min

Die Not ist groß: An einigen Münchner Grundschulen droht die Nachmittagsbetreuung wegzubrechen - weil es zu wenig Platz gibt und die Stadtpolitik zu spät reagiert

Von Stefan Mühleisen

Aus der ganzen Stadt sind derzeit Hilferufe von Eltern zu vernehmen: In Trudering, in Freimann, in Sendling schlagen die Familien Alarm, sie brauchen dringend eine Nachmittagsbetreuung für ihre Kinder. Die Not ist groß - Stadtspitze und Schulreferat müssen mehr tun, um sie zu lindern.

Derzeit werden immer mehr Akutfälle bekannt: An der Plinganserschule könnten im September 150 Kinder ohne Betreuungsplatz dastehen, am Haus für Kinder bei der Feldbergschule fehlen nach Angaben der Eltern 62 Plätze; für den Hort neben der Burmesterschule in Freimann fürchten die Eltern von 58 Kindern, bei der Platz-Bewerbung leer auszugehen. Es sind dramatische Szenen, die sich da in den Familien abspielen. In Freimann sind Fälle von Müttern und Vätern bekannt, die ihre Arbeitsstelle kündigen mussten, um ihre Sprösslinge versorgt zu wissen. Die Familien geraten dabei teils in finanzielle Schieflage, weil ein Einkommen wegbricht. All dies wirft ein grelles Licht auf Versäumnisse der Stadt, die es nun schleunigst zu beheben gilt.

Allein, der Zuzug stellt Stadtpolitik und Verwaltung vor große Herausforderungen - und die werden auch angegangen. Mit dem ersten Schulbauprogramm sind die Planungen für elf Einrichtungen mit 56 Gruppen in Marsch gesetzt; bald soll ein Paket von neun weiteren mit 55 Gruppen folgen. Das ist gut und klug - kommt aber zu spät. Lange haben sich die städtischen Planer auf Krippen- und Kindergartenplätze konzentriert. Offenbar wurde verdrängt, dass Schulkinder eine Nachmittagsbetreuung brauchen. Dabei galten Ganztagesklassen lange als Königsweg - aber eben nicht für viele berufstätige Eltern, die eine Betreuung nicht nur bis 15.30 Uhr, sondern bis zum Spätnachmittag wie im Hort brauchen. Hunderte Familien sind nun Leidtragende einer Zwischenphase, in der viele Projekte geplant oder im Bau, aber nicht fertig sind.

Ein Überbrückungsplan ist dringend nötig - aber nicht erkennbar. Eher fällt die Stadt durch klägliches Krisenmanagement auf, wie zuletzt in Freimann. Nach mehr als einem Jahr anhaltender Hilferufe besuchten die Dritte Bürgermeisterin und die Schulreferentin zwar die Eltern an der Burmesterschule - kamen aber mit leeren Händen, obwohl die Notlage offenkundig ist. Die Stadt darf all diese Menschen jetzt nicht hängenlassen. Spontane, umsichtige, unbürokratische Lösungen sind gefragt.

© SZ vom 10.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: