Kommentar:Eine Frage der Dosis

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Die im März zu wählende Stadtregierung wird bei einer besonders kniffeligen Aufgabe Geschick beweisen müssen: beim klugen Schulden machen

Von Heiner Effern

Wenn es um Prognosen geht, berufen sich die sonst so seriösen Kämmerer gerne auf die weniger gut beleumundete Zunft der Wahrsager. Da sei jetzt viel Glaskugel-Betrachten oder Kaffeesatz-Lesen dabei, heißt es dann gerne. Doch der Haushaltsplan für 2020 und vor allem der Ausblick auf die Investitionen der kommenden Jahre lassen Schlüsse zu, für die man keine Tarot-Karten legen muss. Die neue, im März zu wählende Regierungsmehrheit wird gut damit beschäftigt sein, bei den Leistungen der Stadt das Niveau zu halten, beim Bauen wird sie manche Stadtviertel und manche Bewohner enttäuschen müssen.

Trotzdem wird die Stadt massiv neue Schulden aufnehmen. Das ist per se kein Fluch oder Teufelswerk, sondern angesichts der Infrastruktur, die künftige Generationen benötigen werden, sogar sinnvoll. Wenn man auf Kosten der Nachfolger nur die Kasse aufpoliert, wird sich das auf Dauer rächen. Zwei Grundsätze werden für die Finanzpolitik künftig wichtig sein. Zum einen muss die Stadt darauf achten, dass ihr die Ausgaben im Alltagsgeschäft nicht noch mehr davonlaufen. Sollten nämlich die Steuereinnahmen mal richtig nach unten rauschen, wären massive Einschnitte nötig, die im Alten- und Service-Zentrum ums Eck, in der Stadtbibliothek oder im Jugendzentrum zu spüren sein würden. Ein Ansatzpunkt könnte sein, die knapp 40 000 Beschäftigten der Stadt effektiver einzusetzen. Lange Schlangen vor Schaltern bedeuten nicht, dass überall in der Stadt das Personal knapp ist. Die Zahl der neu zu schaffenden Stellen muss künftig noch viel stärker hinterfragt werden. Dabei gilt es auch, die Möglichkeiten der Digitalisierung viel besser zu nutzen.

Zum anderen wird die Stadt darauf achten müssen, bei neuen Investitionen stärker zu priorisieren. Das Jeder-bekommt-alles der vergangenen Jahre war ein vorübergehender Luxus. Wenn die Schulden tatsächlich wie im Moment geplant bis 2023 auf 4,2 Milliarden Euro explodieren, wäre dies ein Knebel für die folgende Generationen. Das gilt es in jedem Fall zu verhindern. Neue Schulden müssen exakt austariert und wohl dosiert aufgenommen werden. Die Party ist vorbei, die Lage ist deutlich ernster als bisher, aber Grund zur Panik gibt es nicht. Denn auch das gehört zur Wahrheit: Die Politiker in München werden auch in den kommenden Jahren deutlich mehr Spielraum zur Gestaltung haben als die Kollegen in den meisten anderen Großstädten Deutschlands.

© SZ vom 14.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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