Kommentar:Die Bastion wird zum Sinnbild

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Die Pläne für die Sanierung des Gasteig sind voller Symbolgehalt. Sie sind nötig, um ihn überhaupt weiter bespielbar zu erhalten. Und jetzt ist dafür auch der richtige Zeitpunkt

Von Susanne Hermanski

Gemach, gemach! Das möchte man den Entscheidern in diesen Tagen zurufen. Die Corona-Krise ist noch nicht vorüber. Ihre Effekte sind noch lange nicht klar, und doch schon wird geschrien, welche Kulturprojekte man in München über Bord werfen könnte. Die Sanierung des Gasteig? Den vom Freistaat geplanten Bau eines neuen Konzerthauses? Die Renovierung des Stadtmuseums? In den vergangenen Tagen fühlte es sich für Kulturschaffende gelegentlich schon so an, als kreisten hungrige Geier über ihren gebeutelten Häuptern oder zumindest über den Plänen von Stadt und Freistaat, die ihnen doch eigentlich Zuversicht und Vorfreude geben.

Dabei weiß niemand zum jetzigen Zeitpunkt, wie es genau weitergeht mit den Finanzen. Weder mit den eigenen noch mit denen von Stadt und Staat. Im Prinzip gilt aber: auf jede Baisse ist bislang immer noch eine Hausse gefolgt. Sogar auf Verheerungen ein Wirtschaftswunder. Nicht selten hängen solche Effekte auch mit Bauaktivitäten zusammen - um das zu wissen, muss man noch nicht einmal ein Wirtschaftsweiser sein.

Doch wenn jetzt überhastet oder gar in Angst - um das eigene politische Überleben - Entscheidungen getroffen werden, die eine Sanierung des Gasteig auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben, wäre das fürchterlich. Der Gasteig ist das größte Kulturzentrum Europas. Saniert muss er werden, um ihn überhaupt weiter bespielbar zu erhalten. Denn moderne Brandschutz-Anforderungen, in den Achtzigerjahren verbaute Schadstoffe und jede Menge marode Technik sind sowieso nicht wegzureden. Die Sanierung bietet darüber hinaus aber die Chance, mit vergleichsweise geringem Aufwand, etwas wirklich Zukunftsweisendes zu schaffen. Für München. Und für dieses Europa, in dem es als Solitär dasteht mit seinem demokratischen Konzept der fünf Institutionen unter einem Dach.

Denn die Pläne für die Sanierung sind voller Symbolgehalt. Sie lassen den Gasteig als feste Burg bestehen, doch sie öffnen die Festung - von den Ursprungsarchitekten einst "die Bastion" genannt - sinnvoll und behutsam. Das ist ein richtiges und überlebenswichtiges Sinnbild für ein modernes Europa und für seine stolze Kultur. Dafür gibt es einen richtigen Zeitpunkt. Und zu lange die richtigen Schritte dafür aufzuschieben, hieße auch, sie verstreichen zu lassen.

© SZ vom 01.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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