Kommentar:Der Spatz in der Hand

Lesezeit: 1 min

Eine U-Bahn, die im Untergrund fährt, hört man an der Oberfläche weniger quietschen als möglicherweise die Tram. Wer die Verkehrsprobleme im Münchner Norden aber bewältigen will, sollte mit der Trambahn vorlieb nehmen - zumindest vorerst

Von Thomas Kronewiter

Man kann den Siedler-Vereinigungen im Norden Hartnäckigkeit nicht absprechen. Das hat sich etwa beim jahrelangen Streit um ein Schutzkonzept zu Gunsten der Nachbarn der Allianz-Arena gezeigt. Es dauerte zwar, bis Maßnahmen gegen den an Spieltagen unerträglichen Park-Such-Verkehr ergriffen waren, aber am Ende kamen sie eben doch. Und wurden, ebenfalls unter Mitwirkung der Siedler, auch wieder modifiziert, als dies möglich schien. Hut ab vor der konstruktiven Haltung der Anwohner in diesem Fall!

Hartnäckigkeit bedeutet aber nicht automatisch, dass man auch recht hat. Und in der Haltung zur Tramlinie 23 irren die Siedler. Freilich sind Lärmargumente immer bedeutsam für die Betroffenen, und selbstverständlich müssen Anwohner wie Lokalpolitiker darauf dringen, neue Tramlinien mit der denkbar besten Technik auszustatten; dass es zu den geringsten denkbaren Erschütterungen kommt, möglichst nicht zu Brems- oder Quietschgeräuschen. Aber jahrelang die unzureichende Anbindung des Freimanner Stadions zu beklagen, um nun eine zusätzliche Erschließung abzulehnen, ist widersprüchlich.

Darauf, dass die Freimanner Bayernkaserne in der allseits gewünschten Dichte überhaupt nur bebaut werden kann, wenn eine leistungsfähige öffentliche Verkehrserschließung vorhanden ist, sei noch einmal hingewiesen. Jedes Auto, das gar nicht erst angeschafft oder zumindest in der Garage gelassen wird, weil man von dort auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln prima in die Stadt kommt, nutzt auch den nördlichen Nachbarn - die sich, mitunter durchaus zu Recht, über die ständig steigende Verkehrsbelastung beklagen.

Bleibt die Angst, mit Einführung einer Tram gebe man dauerhaft die bevorzugte U-Bahn auf. Nichts ist dauerhafter als ein Provisorium, heißt es. Doch erinnert sei in diesem Fall an die Tram durch Milbertshofen bis zum Hasenbergler Goldschmiedplatz. Die wurde abgebaut, als die U-Bahn-Linie 2 fertiggestellt war, es entstand eine inzwischen beliebte und ungemein frequentierte grüne Achse. Jetzt die Tram abzulehnen, hieße vermutlich, mehrere Jahrzehnte mit den vorhandenen Verkehrsmitteln zurechtkommen zu müssen. Denn dass die erhoffte U-Bahn-Spange bis nach Kieferngarten kommt, steht noch nicht einmal ganz fest. Und wenn ja, wird es angesichts der bekannten Prioritätensetzungen auf jeden Fall Jahrzehnte dauern.

© SZ vom 21.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: