Kommentar:Das letzte Aufgebot

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Bei der Haidhauser Bürgerinitiative gegen die zweite Stammstrecke scheint bereits ein bisschen die Luft raus zu sein.

Von Thomas Kronewiter

Nach außen hin geben sie sich wild entschlossen, und auch von der Maximalforderung, die zweite S-Bahn-Stammstrecke vielleicht in letzter Minute doch noch ganz kippen zu können, wird in der Öffentlichkeit nicht abgerückt. Gleichwohl kann die Haidhauser Bürgerinitiative gegen das Milliarden Euro teure Stammstrecken-Projekt so rechten Schrecken nicht mehr verbreiten.

Denn die Eindrücke vom Stammtisch am Dienstagabend klingen anders als beispielsweise der generalstabsmäßig organisierte Protest gegen den weiteren Flughafen-Ausbau. In Haidhausen erhofft man sich massiven Druck von einer angekündigten Kundgebung, mit der man unter anderem den zuständigen Minister beeindrucken will. Doch wenn es darum geht, wer die (wenigen) vorbereiteten Transparente in die Luft hält, heißt es: Ist noch nicht eingeteilt. Wer nach der ins Auge gefassten Flyer-Aktion fragt, hört: Ist noch nicht koordiniert. Und der Hinweis auf die angesetzte Bürgerversammlung enthält die Randnotiz, dass die geplanten Anträge noch nicht aufeinander abgestimmt seien.

Das sieht nicht nach ungeheurem Leidensdruck und nach leidenschaftlicher Mitwirkung betroffener Bürger aus, sondern eher nach Gesichtswahrung. Jedenfalls nicht nach dem Massenprotest, der die Dinge vielleicht noch einmal in Bewegung bringen könnte. Vielleicht wäre es auch an der Zeit, die Fundamentalopposition zu überdenken und zu versuchen, konstruktiv auf die ausgefeilte Baustellen-Planung einzuwirken. Die Chance dazu bietet die Bahn bei ihrer Charme-Offensive, mit der sie sich derzeit von Westen her entlang der neuen Trassenabschnitte durch die Stadt arbeitet.

Denn dass die Haidhauser jetzt noch die Notbremse ziehen können, scheint zunehmend unwahrscheinlich zu sein. Für teure PR fehlt das Geld, die Durchschlagskraft einer Online-Petition darf ebenfalls bezweifelt werden. Zumal noch nicht einmal deren Freischaltung geklärt ist. Auch in Haidhausen wird es zunehmend um das "Wie" gehen, nicht mehr um das "Ob". In nicht mehr allzu langer Zeit werden die Bagger auffahren, das sollten sich die Anwohner langsam klar machen.

© SZ vom 09.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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