Kommentar:Bloß nicht zu zaghaft sein

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Mehr Platz für Radler und Fußgänger an der Isar oder in der Altstadt gibt es nur zu Lasten des Autoverkehrs. Die Stadt muss sich trauen, zumindest probeweise

Von Andreas Schubert

An diesem Dienstagvormittag wollen verschiedene Organisationen zwei Stunden lang für einen autofreien Isar-Boulevard demonstrieren. Die Idee des Boulevards wird zwar von Verkehrsplanern abgelehnt, weil sich der Verkehr dann laut ihrer Prognose in die Nebenstraßen der umliegenden Viertel verlagern würde. Dennoch sollte die Stadt die Idee nicht komplett verwerfen. Man könnte zumindest ausprobieren, wie es sich bewährt, eine Spur pro Richtung zu sperren, es wäre damit viel Platz gewonnen. Platz, den man den Radfahrern zur Verfügung stellen könnte. Denn obwohl der Radverkehr immer weiter zunimmt, sind die Radstreifen an der Westseite der Isar absurd schmal. Ängstliche Radler meiden die nicht ganz ungefährliche Strecke inzwischen.

Die Verkehrsplaner gehen bei ihren Prognosen von einer gleich bleibenden Zahl von Autos aus. Es ist aber auch nicht ausgeschlossen, dass tatsächlich weniger Pendler von außerhalb mit dem Auto in die Stadt fahren, weil sie einsehen, dass es zeitraubend und unbequem ist, sich entweder in den Stau zu stellen oder Schleichwege durch Wohnstraßen nehmen zu müssen. Vielleicht nutzen sie ja dann häufiger den öffentlichen Nahverkehr. Zwar ist unstrittig, dass dieser weiter ausgebaut und optimiert werden muss. Dennoch ist er schon jetzt nicht so schlecht wie sein Ruf.

Auch die Forderung der Grünen, weite Teile der Innenstadt von den Blechlawinen zu befreien, ist keine Spinnerei. Die Partei kritisiert zurecht, dass eine Verkehrswende nicht zu machen ist, ohne konsequent Radler und öffentlichen Nahverkehr zu begünstigen. Die Landtagswahlen haben gezeigt, dass grüne Politik derzeit gut ankommt. Das mag auch daran liegen, dass vielen Stadtbewohnern eine zu zaghafte Verkehrspolitik stinkt. Menschen mit eingeschränkter Mobilität, die unbedingt aufs Auto angewiesen sind, sollen dieses schon auch weiter nutzen können. Für alle anderen ist privates Autofahren in der Stadt immer noch viel zu günstig und komfortabel.

© SZ vom 26.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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