Kommentar:Blanker Hohn

Von Jutta Czeguhn

Als Allergiker gegen, sagen wir, Erdnüsse oder Schalentiere muss man sich auf die Kennzeichnungen auf der Produktverpackung verlassen, ansonsten könnten die Dinge ziemlich böse enden. Schon der freiwillige Herstellerhinweis "Kann Spuren von . . . enthalten", der auf Bestandteile, die nicht gemäß Rezeptur, sondern unbeabsichtigt durch Verunreinigung ins Lebensmittel gelangen könnten, erinnert den Betroffenen daran, vorsichtig zu sein. Abgesehen davon, dass sich das Unternehmen damit rechtlich absichert.

Im Fall der Obermenzinger Schulpavillons kann es nur befremden, wie unaufgeregt die städtischen Referate über die Tatsache hinweggleiten, dass formaldehydarm eben nicht formaldehydfrei ist. Als ob es sich dabei nur um einen kleinen semantischen Unterschied handele. Wenn das so wäre, hätte man ihn in den Ausschreibungsrichtlinien ja gar nicht erst formulieren müssen. Dass die Firma, die gegen ihre vertragliche Verpflichtung verstoßen hat, nun nicht belangt werden kann, muss aus Sicht der Kinder, Eltern und Lehrer wie blanker Hohn klingen. Auch der Hinweis, dass der Zwang zu europaweiten Ausschreibungen bei der Vergabe größerer öffentlicher Aufträge eben eine gewisse Zwangsläufigkeit bei den Anbietern nach sich ziehe, riecht nach Ausflucht. Dann sollte die Stadt künftig eben auf ihre Schulcontainer schreiben: "Kann Spuren von Formaldehyd enthalten".

© SZ vom 18.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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