Kommentar:Auf dem Prüfstand

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Wenn die Stadt es mit der Bürgerbeteiligung ernst meint, muss sie die Anwohner gerade in Sachen Nachverdichtung nicht nur mitreden, sondern auch mitentscheiden lassen

Von Jürgen Wolfram

Hört sich verheißungsvoll an: Bürgerbeteiligung. Klingt nach Basisdemokratie und Transparenz. Nach der Chance für Betroffene, Projekte zu kritisieren, Einfluss zu nehmen. Inwieweit die Veranstalter von Anhörungen und Workshops Mitsprache nur suggerieren, ist eine andere Frage. Im Falle der geplanten Nachverdichtung in Fürstenried-West muss sich noch zeigen, wie ernst der "Dialog mit den Anwohnern" tatsächlich gemeint ist. Befürchtungen der Bürgerinitiative "Pro Fürstenried", es könnte auf eine Farce hinauslaufen, sind nicht von der Hand zu weisen.

Ein Beispiel aus jüngster Zeit und demselben Stadtbezirk gibt zu denken: Auch beim Campus Süd in Obersendling erweckten die Planer lediglich den Eindruck, als wollten sie die Meinung der Bevölkerung etwa zur Höhenentwicklung wirklich wissen. Auf dem ehemaligen Siemens-Gelände stand damals lediglich die Umwandlung eines ehemaligen Gewerbeareals in ein neues Wohnquartier auf der Agenda. Diesmal geht es um mehr - um die Lebensqualität in einem ohnehin schon dicht besiedelten Viertel.

Das Planungsreferat und der Investor, die Bayerische Versorgungskammer, meiden auffällig sorgsam den Begriff Nachverdichtung, werben lieber euphemistisch für die "qualifizierte Weiterentwicklung" von Fürstenried-West. So oder so gilt, was Stadtbaurätin Elisabeth Merk zu betonen nicht müde wird: München braucht möglichst schnell möglichst viele neue Wohnungen. Wohl wahr, nur: Soll zusätzlicher Wohnraum jetzt um den Preis des Verlustes gewachsener Strukturen aus dem Boden gestampft oder über bestehende Gebäude gestülpt werden? Die umwerfende Resonanz eines Workshops in der Grundschule an der Berner Straße offenbarte, wie sehr das Thema die Leute umtreibt.

Stadt und Investor haben eine breite Diskussion über die Pläne für Fürstenried-West eröffnet. Das ist anerkennenswert. Allerdings umschiffen sie die essenzielle Frage der Nachverdichtung bisher sorgsam: Wie viele "ergänzende" Wohnungen halten die Bewohner und deren Initiative Pro Fürstenried eigentlich für darstellbar, für verträglich? Statt dies zu ergründen, wird als Ergebnis "eingehender Voruntersuchungen" die Zahl 600 veranschlagt. Hierbei handelt es sich nicht etwa um eine fiktive Hausnummer, sondern um die verbindliche Grundlage des bevorstehenden Architektenwettbewerbes - allenfalls marginale Abweichung sind noch möglich.

Bei diesem Prozedere fällt es ziemlich schwer, noch an echte Bürgerbeteiligung zu glauben.

© SZ vom 11.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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