Kommentar:Angemessene Rüge

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Studentenwohnheime sind ein lukratives Geschäftsmodell - doch zu Gunsten des Gewinns ist die Gestaltung für studentisches Leben oft mickrig. Die Stadt tut gut daran, den Investoren das nicht durchgehen zu lassen wie jetzt bei einem Projekt an der Freisinger Landstraße

Von Stefan Mühleisen

Wie verzweifelt Studenten in München mitunter eine Bleibe suchen, zeigt eine Geschichte vom Herbst 2016. Da inserierten Studenten aus einer Bierlaune heraus ein WG-Zimmer mit nur einem Quadratmeter für 65 Euro. Auf die Scherz-Annonce meldeten sich tatsächlich ernsthafte Interessenten. Die kuriose Episode zeigt: Studenten nehmen offenbar alles, was der Markt hergibt. Investoren wissen das - Studentenwohnheime sind ein lukratives Geschäftsmodell. "Microappartements" werden sie genannt. Doch zu Gunsten des Gewinns ist die Gestaltung und der Raum für studentisches Leben mitunter mickrig - und die Stadt tut gut daran, den Investoren das nicht durchgehen zu lassen wie jetzt bei dem Projekt an der Freisinger Landstraße.

Es war zwar hart für den verantwortlichen Architekten Peter Kupferschmidt; doch es war richtig, dass die Stadtgestaltungskommission den Entwurf für das Studentenwohnheim zurückgewiesen hat. Der Entwurf legt nahe, dass der Investor möglichst viele Parzellen in den Block quetschen will, an einem sozialgerechten Umfeld für 350 Bewohner aber offenbar weniger interessiert ist.

Das geht auch anders, das Studentenwerk macht es vor: Die Wohnanlage am Biederstein gibt es seit 1955. Es herrscht basisdemokratischer Gemeinschaftsgeist, der gerade durch die lockere Anordnung der Bauwerke entstehen kann. Zwar sind an der Freisinger Landstraße auch "Gemeinschaftsflächen" geplant - ob diese aber gemeinschaftsstiftend sind, bleibt fraglich. Dabei spielt die Architektur des Bauwerks eine nicht unwesentliche Rolle. Es gibt Bauträger, die herausragende Gebäude in die Stadtlandschaft pflanzen, etwa die preisgekrönte Anlage des Studentenwerks im Wohngebiet Panzerwiese.

Mit seinem Veto hat die Kommission nun sanften Druck aufgebaut: Der Investor soll aus einem maximal lukrativen ein lebenswertes, dabei immer noch rentables Projekt machen. Formalrechtlich könnte das dem Bauherrn egal sein: Verstößt der Entwurf nicht gegen baurechtliche Vorschriften, muss ihn die Stadt wohl genehmigen. Doch faktisch wird es sicher kaum ein Bauwerber wagen, sich gegen den Ratschluss dieses einflussreichen Gremiums zu stellen. Es ist schon viel erreicht, wenn der Investor sich zumindest partiell beeinflussen lässt. Es zeigt sich: Die Tagesordnung der Kommission muss aufgestockt, ähnliche Projekte mit der gleichen Strenge analysiert werden.

© SZ vom 04.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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