Kolumne: After Eight:Wilde Nächte mit den Touris

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Jedes Jahr kommen Millionen Besucher aus aller Welt auf die Wiesn. Nur der Münchner bleibt wieder einmal lieber unter sich. Dabei kann man mit den Gästen aus dem Ausland richtig viel Spaß haben.

Beate Wild

Jacks erste Nacht in München endet im Pimpernel. Die Sonne geht gerade auf, als er gegen sieben Uhr morgens leicht desorientiert, aber überglücklich hinaus auf die Müllerstraße stolpert. "Yeah hell, Munich rules", schreit Jack überschwänglich. Genau, denken wir uns, und freuen uns, dass es Jack so gut gefällt.

Das hier sind italienische Gäste auf der Wiesn: Wie man richtig feiert, haben sie schnell gelernt. (Foto: Foto: Rumpf)

Jack ist Australier, um die 30, aus Sydney. Viel mehr wissen wir gar nicht über ihn. Kein Wunder, wir haben ihn ja gerade erst kennengelernt - auf der Wiesn. Begonnen hat alles im Hackerzelt. Am Tisch neben uns feiert eine Gruppe australischer Jungs. Alle bestens gelaunt. Extrovertiert und feierfreudig wie die Australier so sind, kommen wir schnell ins Gespräch. Gemeinsam schunkeln wir auf den Bänken, trinken noch eine Maß, amüsieren uns bestens. Zu "Hey Baby" grölen die Jungs genauso mit wie zu "Alice". Sie haben schnell gelernt, wie die Wiesn funktioniert.

Um 22.30 Uhr gibt es die letzte Maß, gegen 23 Uhr fordern uns die Sicherheitskräfte mit Nachdruck auf, das Zelt doch jetzt bitte endlich zu verlassen. Die Australier können es kaum glauben, wir im Übrigen auch immer noch nicht. Da haben wir schon das größte Volksfest der Welt und dann so etwas. Wer will denn schon um diese Uhrzeit nach Hause?

Schuld an der frühen Sperrstunde hat ausnahmsweise einmal nicht das KVR, sondern die Gemeinschaft der Wirte selber. Als wir uns - immer noch erbost - einen Tag später bei der Festleitung nach den wahren Gründen erkundigen, teilt man uns mit, die Wirte hätten kein Interesse, die Zelte länger offen zu haben. Das wäre immer schon so gewesen, man sähe keinen Grund, da etwas zu ändern. Und bei längeren Öffnungszeiten sind die Wirte gezwungen, einen Schichtwechsel beim Personal einzuführen, das wiederum wäre viel zu aufwendig. Auch die Polizei, das Rote Kreuz und die U-Bahn müssten dann ja länger im Einsatz sein, so einfach sei das Ganze nicht zu organisieren.

Lesen Sie auf Seite 2, welche einzigartige Chance das Oktoberfest uns Münchnern bietet.

Na ja, die Bars und Clubs der Stadt wollen mit der After-Wiesn schließlich auch noch ein wenig an dem Oktoberfest-Wahnsinn mitverdienen, nicht nur die Wiesn-Wirte. Wir beschließen also nach dem abrupten Ende im Hackerzelt, noch ins X-Cess im Glockenbachviertel zu gehen. Jack, oben bereits erwähnter Australier, will mit. Während seine Kumpels es noch im Käfer-Zelt versuchen wollen, nehmen wir Jack kurzerhand auf dem Gepäckträger unseres Fahrrads mit. Er freut sich riesig, das "nightlife in funky Munich" mal mit richtigen "natives" kennenzulernen, und versprüht unglaublich gute Laune. Kaum im X-Cess angekommen, treffen wir auch schon Freunde von uns. Und Jack ist mittendrin.

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Beate Wild

Gemeinsam ziehen wir weiter, von Kneipe zu Kneipe. Die Gruppe wird immer größer. Irgendwann landen wir schließlich im Pimpernel. Das Resümee: Wir hatten riesigen Spaß und haben uns ganz nebenbei wieder einmal um das Image Münchens im Ausland verdient gemacht. Denn eines muss man festhalten: Auf das Oktoberfest kommen zwar jedes Jahr unglaublich viele Gäste aus aller Welt, doch Kontakt zwischen ihnen und den Einheimischen gibt es so gut wie gar nicht. Sagen wir mal so: Der Kontakt ist auf das Touristisch-Geschäftliche beschränkt.

Die Besucher werden sich selbst überlassen. Die sieht man dann mit den so genannten "Bier-Bikes" (Rikscha-Mobile mit einer Theke in der Mitte, Platz für bis zu 17 Personen und jeder Menge Alkohol an Bord) durch Münchens Straßen radeln. Oder sie irren durch die Innenstadt und suchen verzweifelt nach einem netten Lokal.

Die Münchner bleiben lieber unter sich, gehen mit der Firma oder mit ihrer Clique auf die Wiesn und schmoren wie immer im eigenen Saft. Dabei bietet das weltbekannte Bierfest doch die Chance, in Kontakt mit anderen Nationen zu kommen! Die Welt zu Gast bei Freunden, das war der Slogan der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland, oder? Das gilt zur Wiesn auch.

Die ganzen Italiener, Japaner, Australier und wo sie sonst noch alle herkommen freuen sich doch so richtig, einmal einen echten Münchner kennenzulernen und mit dem dann anschließend noch um die Häuser zu ziehen. Und schließlich ist es ja auch für uns eine willkommene Abwechslung.

Die Kolumne "After Eight" erscheint jeden Donnerstag auf "München Extra", dem Stadtportal von sueddeutsche.de.

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