Kirche:Mitsprache mit Tradition

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In 67 evangelischen Gemeinden in München wählen die Mitglieder am Sonntag einen neuen Kirchenvorstand

Von Linus Freymark

Am Sonntag ist wieder Wahl, zumindest für die Mitglieder der Evangelischen Kirche in Bayern. Am 21. Oktober können alle konfirmierten Gläubigen ab 14 Jahren den Kirchenvorstand in ihrer Gemeinde wählen. Allein im Dekanatsbezirk München wird in 67 Gemeinden über die Besetzung des Gremiums abgestimmt, das aus Freiwilligen besteht, die zwar in der Kirchenarbeit engagiert sind, jedoch kein offizielles Amt innehaben. "Da sind Handwerker genauso wie Studenten dabei", erklärt Münchens Stadtdekanin Barbara Kittelberger.

Gemeinsam mit dem jeweiligen Gemeindepfarrer, der im Kirchenvorstand gesetzt ist, entscheiden die gewählten Mitglieder über die Zusammensetzung des Haushalts, Baumaßnahmen oder über die Neubesetzung einer freigewordenen Pfarrstelle. "Der Kirchenvorstand und damit auch die Wähler entscheiden, wie Kirche gestaltet wird", sagt Kittelberger. Alle sechs Jahre wählt jede Gemeinde den Vorstand, der aus zehn bis 20 Mitgliedern besteht. Die Wahlbeteiligung ist zuletzt zwar gestiegen jedoch auf bescheidenem Niveau: 2006 lag sie noch im einstelligen Bereich, bei der letzten Wahl 2012 gaben immerhin 11,3 Prozent ihre Stimme ab. In diesem Jahr hat die evangelische Kirche verstärkt zur Briefwahl aufgerufen, Kittelberger rechnet deshalb mit einer Beteiligung von 15 bis 20 Prozent der Gläubigen. Wer es nicht mehr schafft, seinen Wahlschein rechtzeitig loszuschicken, könne diesen am Sonntag auch im Wahllokal seiner Gemeinde in die Urne werfen.

Die Kirchenvorstandswahlen haben eine lange Tradition in der Evangelischen Kirche. Bereits Martin Luther schrieb mit dem Begriff des "Priestertums aller Gläubigen" die formale Gleichheit der Mitglieder einer Glaubensgemeinschaft fest. Bis ins 19. Jahrhundert hinein war es damit jedoch nicht weit her: Oft war nur ein einzelner, von wenigen Mächtigen bestimmter Vorstand für die Finanzen zuständig. Häufig kam es durch das Fehlen einer Kontrollinstanz dabei zur Veruntreuung des Gemeindevermögens. Nach der Revolution von 1848 wurde erstmals ein mehrköpfiger Kirchenvorstand gewählt, Frauen und Personen ohne Besitz waren jedoch nicht wahlberechtigt. Der erste vollkommen demokratisch gewählte Kirchenvorstand nahm 1922 seine Arbeit auf.

© SZ vom 20.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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