Kickboxen:Sanfte Tritte

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„Man muss alles können und gleichzeitig versuchen, den Gegner zu lesen“, sagt Julia Purmann (links). (Foto: Anna-Lena Siebert / oh)

Bei den German Open sind am Wochenende Kickboxer aus zwölf Nationen angetreten. Julia Purmann aus Erding feiert den Sieg im Leichtkontakt - nach dem Heimturnier hat sie in diesem Jahr noch große Ziele.

Von Anna-Lena Siebert, München

Eine Kampfrichterin kniet sich auf den Boden, zieht ein Taschentuch aus ihrer Hose und wischt damit dunkelrote Blutstropfen vom Mattenboden. Ihre Kollegin schmunzelt, doch sie zuckt nur mit den Schultern. Die ein oder andere blutende Nase gehört dazu, wenn sich die besten Kickboxer Europas bei den German Open messen - das dreitägige Turnier hat auch in diesem Jahr wieder knapp tausend Anfänger und Elitekämpfer in die Sporthalle des SVN München gelockt.

Nach fünften Plätzen hofft sie bei der WM auf einen Podestplatz. "So ein Erfolg fehlt mir noch."

Drei Matten weiter kämpft die zweimalige deutsche Meisterin Julia Purmann. In Lauerstellung wehrt sie die Angriffe ihrer Gegnerin ab, setzt selbst immer wieder zu gekonnten Schlägen und Tritten an. Blut wird hier wohl nicht fließen: Im Leichtkontakt, Purmanns Paradedisziplin, sind nur leichte Berührungen erlaubt, zu hartes Einsteigen wird sofort bestraft. Die beiden Frauen kämpfen sauber und professionell, bloßes Geprügel ist hier nicht zu sehen. Laut Veranstalter Thomas Eichinger, dem Leiter der Kickbox-Abteilung des SVN, erkennt man daran einen guten Kampf. Aggressives Verhalten sehe man eher bei unerfahrenen Anfängern: "Die wissen sich dann manchmal nicht anders zu helfen und es wird unschön." Eichinger und die Zuschauer sehen einen starken Auftritt Purmanns: Mit einem 3:0-Sieg lässt sie ihrer Gegnerin keine Chance und steht damit im Finale ihrer Gewichtsklasse unter 50 Kilo. Fünf Frauen sind am Sonntag in dieser Klasse angetreten - da Purmann in der Rangliste am höchsten steht, war sie bei der ungeraden Zahl an Kämpferinnen bereits für das Halbfinale gesetzt.

Im Finale trifft sie etwa eine halbe Stunde später auf die Österreicherin Anika Wegscheider. Doch auch hier lässt Purmann, die für den Kickboxverein Erding antritt, nichts anbrennen und gewinnt erneut mit 3:0. Die Freude nach dem Sieg ist groß, auch wenn die Überraschung sich in Grenzen hält: "Ehrlich gesagt, war ich schon die Favoritin. Da habe ich dann auch eine große Erwartungshaltung an mich selbst. Umso mehr freue ich mich", sagt sie gut gelaunt. Im Trainingsanzug und frisch geduscht steht sie nun zwischen Trampolinen und Sprungkästen. Denn in Ruhe reden kann man heute nur im Geräteraum der Turnhalle, im Innenraum herrscht reges Gewusel. Vorsicht ist geboten, sonst drohen versehentliche Rempler von Kickboxern, die sich aufwärmen und auf ihren Kampf vorbereiten.

Den hat Purmann schon hinter sich. "Ich habe mich heute sehr gut gefühlt. Gerade im ersten Kampf bin ich gut reingekommen, der ist meistens der schwierigste", sagt die 28-Jährige. Anfang März ist sie bei den Irish Open in Dublin überraschend Dritte geworden - bei den Turnieren in Deutschland ist die erfahrene Purmann, die den Sport schon seit ihrem achten Lebensjahr betreibt, dagegen meist die Favoritin. "Der Druck kann auch kontraproduktiv sein. Heute lief allerdings alles super", sagt sie. Ihre Leidenschaft für das Kickboxen liegt vor allem in der Vielseitigkeit: "Koordination, Balance, Stabilität. Man muss alles können und gleichzeitig versuchen, den Gegner zu lesen. Allein die Überwindung, jemanden anzugreifen und zu hauen, auch wenn es bei uns nur ein leichter Kontakt ist, kann manchmal schwierig sein", sagt sie, "man trainiert nicht nur Muskeln, sondern auch Mentalität."

In diesem Jahr steht die Weltmeisterschaft im bosnischen Sarajevo an. Nachdem Purmann sowohl bei der letzten WM als auch bei der EM Fünfte wurde, träumt sie nun vom Treppchen: "Das wäre schon sehr schön, das zu schaffen. So ein Erfolg fehlt mir noch", sagt sie. Und für diesen Traum arbeitet sie hart: Viermal die Woche steht Kickboxen auf dem Programm, dazu kommen Krafttraining und Laufeinheiten, alles in Kombination mit dem Job: "Ich bin den ganzen Tag beschäftigt", sagt sie, doch wirkt dabei, als würde ihr der Stress mehr Freude als Anstrengung bereiten.

Alle Hände voll zu tun: Schon zum dritten Mal richtet der SVN dieses Großereignis aus

Einen stressigen Tag hat heute wiederum Thomas Eichinger, denn er ist als Veranstalter nicht nur für die Organisation und den reibungslosen Ablauf verantwortlich, sondern betreut als Trainer auch drei Nachwuchskickboxer des SVN. Während er die 16-jährige Johanna Bormann auf ihren ersten Kampf bei den Frauen vorbereitet - bis zum 18. Lebensjahr könnte sie noch bei den Juniorinnen starten -, wird er wegen technischer Probleme zum Kampfrichtertisch gerufen. Alle Hände voll zu tun also, doch Eichinger nimmt es gelassen: "Wir alle lieben diesen Sport, und daher macht es auch jedes Jahr wieder viel Spaß, das Turnier zu organisieren", sagt er. Die German Open werden zum dritten Mal vom SVN ausgerichtet. Für den dreitägigen Wettkampf gab es 1070 Nennungen aus zwölf Nationen - wobei einige Sportler in mehreren Disziplinen antreten. Die Teilnehmerzahl liegt also zwischen 900 und 1000. 70 ehrenamtliche Helfer kümmern sich darum, dass alle Kämpfe fair und regelkonform ablaufen. Und wischen hier und da auch manche Kampfspuren auf.

© SZ vom 19.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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