Kantine im Rathaus:Speisen unter altem Gewölbe

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Nach der Neugestaltung kann sich die Kantine im Rathaus sehen lassen - Münchner speisen unter neugotischen Spitzbögen, Getränke und Fleisch sind bio. Nur die hohen Essenspreise entsprechen doch nicht so ganz dem Kantinenniveau.

Alois Gudmund

Das Sprichwort ist deutlich älter als Deutschlands Demokratie. Die Feststellung, dass der Brei verdirbt, wenn viele Köche in ihm rühren, mag zwar am heimischen Herd und unter diktatorischen Küchenchefs gelten, in Großküchen ist sie aber fehl am Platz, und als Staatsauffassung entspricht sie nun wirklich nicht dem Geist des Grundgesetzes. Demokratie heißt nun einmal, dass viele, im besten Fall alle mitkochen, schon weil alle die politische Suppe hinterher wieder auslöffeln müssen.

Die demokratische Verfassung der Landeshauptstadt München verkörpert natürlich ihr Rathaus. Und wenn sich im großen Sitzungssaal des Stadtrates vielleicht der Kopf des Kommunalkörpers verorten lässt, dann ist die "Kantine im Rathaus" ganz sicher der Bauch der städtischen Demokratie.

Mitgeredet haben jedenfalls viele, als es darum ging, wie eine musterhaft demokratische Essensausgabe im Rathaus aussehen könnte. Als da wären: 80 Stadträte und ein Oberbürgermeister, der Personalreferent, der Gesundheitsreferent, die Baureferentin, der Sozialreferent, der Stadtkämmerer. Sie alle waren befasst mit der Neugestaltung der Kantinenräume unten in den Erdgeschossgewölben des Neuen Rathauses. Sogar 7703 Mitarbeiter der Stadtverwaltung, die ihre Kantine schon bisher benutzt haben oder auch nicht, gaben ihr Votum in einer Befragung ab.

Am Ende stand ein Papierberg mit dem Aktenzeichen 02-08/V07257 und eine runderneuerte, so heißt es darin, "Verpflegungseinrichtung". Stattliche 3,74 Millionen Euro Steuergeld hat der Stadtrat für den Umbau genehmigt - gegen die Stimmen der CSU-Fraktion.

Wer in den Prunkhof des Rathauses schlendert und dann rechts die Tür öffnet, kann durchaus erkennen, wo das Geld geblieben ist. Wo es früher so aussah wie ein finsteres Verlies, in dem der Kämmerer uneinsichtige Hundesteuerhinterzieher schmoren lässt, weitet sich nun unter neugotischen Spitzbögen ein hoher, lichter Saal. Helles Holz, aus dem die schlicht und modern gezimmerten Tische, Stühle und Teile der Wände bestehen, aber auch die kumuluswolkenartigen Leuchter an der Decke geben dem Raum eine warme Eleganz.

Häkeldeckchenhafte Textilstreifen sowie Plastikblumen auf den Tischen erinnern jedoch daran, dass das hier keine Szene-Bar sein soll, sondern immer noch eine Kantine für Beschäftigte der Stadt. Hinein dürfen aber alle, ob in München wahlberechtigt oder nicht. Am hinteren Ende des Saals reihen sich die Theken, hinter deren Glasscheiben jeden Mittag fünf täglich wechselnde Gerichte zum Angebot stehen.

Sie kosten zwischen 3,90 und 9,50, für städtische Mitarbeiter mittags etwas weniger. Das ist gerade für die unteren Besoldungsgruppen kein wirklich niedriges Kantinenpreisniveau. Doch erstaunlich waren auch Qualität und Vielfalt des Gebotenen.

"Gesund & Köstlich", so nennt sich die Kantine selber, soll es hier sein. Und in der Tat waren die Salate vom Buffet knackig und frisch, die eingelegten Gemüse troffen nicht wie anderswo vor Öl und waren wunderbar bissfest. Stadtbeamte jedoch, die sich Schwarzwurzeln auf die Teller luden, waren nachmittags im Publikumsverkehr kaum mehr einzusetzen - es steckte allzu viel Knoblauch in der Marinade.

Verführerisch frisch glänzten auch die saftigen Thunfischsteaks. Sie wurden unter den Augen des Gastes auf ein heißes Blech gelegt, auf den bestellten Punkt gebraten und mit Gemüse umgeben, das in einer fruchtigen Tomatensoße gekocht war - das war schon mehr als gehobene Kantinenkost.

Auch beim Fleisch achtet die Küche auf Qualität. Es kommt ausschließlich von Biohöfen aus dem Umland, und das macht sich bemerkbar. Nicht nur sieht man den grünen Bürgermeister oder die grüne Stadtratsfraktion mit vollgeladenen Tabletts nach freien Tischen Ausschau halten. Was aus artgerechter Haltung (und Schlachtung) ins Rathaus kam, war etwa ein wunderbar mürbes Kalbfleischgulasch.

Oder, ein paar Tage später, ein ungarischer Gulaschsuppentopf mit gehacktem Ochsenfleisch und raffiniert gezügelter Paprikaschärfe. Und auch die gerösteten Innereien in ihrer sauren Balsamico-Zwiebel-Soße waren zart und doch deftig, wie ein winterliches Mittagsgericht sein muss.

Die Getränkeauswahl spiegelt die rot-grün geprägten Mehrheitsverhältnisse im Rathaus wider: Die Säfte sind bio, die Biere auch. So schmeckt Demokratie - ganz egal, wer nach dem kommenden Wahlsonntag zwei Stockwerke weiter oben regiert. Solange nur möglichst viele demokratische Wähler mitkochen am stadtpolitischen Brei.

GESUND & KÖSTLICH - KANTINE IM RATHAUS. Marienplatz 8. Telefon: 23323223. Geöffnet Montag bis Freitag von 9 bis 18.30 Uhr, Samstag von 12 bis 16 Uhr.

© SZ vom 25.02.2008/ngh - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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