Kammerspiele:Im Schaumbad des Uneigentlichen

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"Ninfo - No Info": Schorsch Kamerun okkupiert mal wieder die Kammerspiele und kritisiert die Informationsflut.

Sabine Leucht

Der Typ hat es geschafft. Oder wie sonst soll man es nennen, wenn einer eine Institution wie die Münchner Kammerspiele zwei Monate lang zu seinem Privatspielplatz machen und dabei fröhlich den Apparat beschimpfen darf? Schorsch Kamerun, Lieblings-Funpunk nicht nur des hiesigen Stadttheaters, lädt zu "Ninfo - No Info!", einem Programm, zu dem er bis kurz vor Weihnachten Selbstdarsteller wie Dietrich Diederichsen (12. Dezember), Diethmar Dath (26. November) und Herbert Achternbusch (22. November) geladen hat, aber auch Szeneclubs als Vertreter ihrer Städte ("Rote Sonne" München versus "Golden Pudel Club" Hamburg, 25. Oktober), oder zwei Rotweintrinker (Carsten "Erobique" Meyer und Fabian Hinrichs, 20. Dezember) unabgefedert aufeinander prallen lässt.

Irgendwie soll es bei all dem darum gehen, der überbordenden Informationsflut zu entkommen und "Rest- und Neualternativen" zum alten Leben quasi wieder jungfräulich zu begegnen. Zur symbolischen Wiedererlangung dieser Jungfräulichkeit haben die Kammerspiele bei der Eröffnungsgala im Schauspielhaus mit Hilfe zweier Schaumkanonen ein flockiges Bad angerichtet, in das zunächst Kameruns jugendliche Probanden, sein gesamtes "Peter Pan"-Ensemble (Premiere ist am 8. November) und einige "Ninfo"-Schwerpunkte in Menschengestalt eintauchen. Das ist dann schon der Gipfel des Theatralen an diesem Abend: Menschen mit Schaumhäubchen auf Kopf und Armen, während DJ Phono noch seinen Elektro-Sound über sie ergießt.

Naja, denkt man, da hat dann auch jeder was zum Mit-nach-Hause-Nehmen: ein paar weiße Flocken als Vorboten des Winters oder sogar schon eine richtig fette Erkältung. Viel mehr dran war leider nicht an dieser Schaumveranstaltung.

Sieht man einmal von Gustav alias Eva Jantschitsch aus Wien ab, die von Klassenkampf und Börsensturz singen kann, dass es ironisch und dennoch ernst wirkt, die betrunken spielen oder sein, wie ein Rehlein schauen und sich bewegen kann, dass einem das Herz mit einem Lächeln gefriert. Gustav war der Hauptakt des Abends, an dessen Beginn das Münchner Label Gomma so lange mit Plattenauflegen Erwartungshaltungen zerschlug, bis auch der Letzte seinen inneren Theaterzuschauer an der Garderobe abgab und die Discokugel an der Decke des Zuschauerraums bemerkte.

Kamerun, diesmal weniger Regisseur und Akteur, sondern in erster Linie Gastgeber, gab dazwischen ein wenig angestrengt den Unprofessionellen und spuckte getreu seines selbstgewählten Mottos statt Informationen über sein Vorhaben nur die Gästeliste aus. Auf dem Flyer, der einem zumindest diese Information auch gegeben hätte, stehen - fast verschämt in eine Ecke gedrängt - folgende Worte: "Ich freue mich persönlich, mit Ihnen zu feiern."

Das ist Schorsch Kamerun, der Akzente und Kommata einfach immer ein bisschen anders setzt. Manchmal kommt dabei etwas Liebenswertes heraus, manchmal schlicht Blödsinn. So beweist der "Ninfo"-Meister mit seinem Song "Menschen in Berg am Laim" die peinlichste Uninformiertheit. Aber dass er ihn singt, weil die Süddeutsche Zeitung demnächst an den Stadtrand zieht, schmeichelt uns doch schon fast.

"Ninfo - No Info!", ab sofort immer Samstag, manchmal auch Freitag und Mittwoch, ab 21 Uhr im Neuen Haus der Kammerspiele.

© SZ vom 20.10.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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