Käfer kocht:"Wir sind kein Pizzadienst"

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Die Vaterstettener Nachbarschaftshilfe liefert warme Mahlzeiten und menschliche Nähe. Diese ist für Senioren so wichtig wie das Essen selbst

Von Karin Kampwerth, Vaterstetten

Die Spaghetti Bolognese kommen bei Gerda und Klaus von Stockhausen dank Thermobox heiß auf den Tisch. (Foto: Karin Kampwerth/oh)

Ein bisschen Italien weht durch die Wohnung der Eheleute Stockhausen. Der Duft von Spaghetti Bolognese liegt in der Luft, nachdem Gerda von Stockhausen den gelben Deckel des Tellers gelupft hat, auf dem das Gericht serviert wird. Gekocht wurde die Pasta für den Mobilen Mittagstisch der Vaterstettener Nachbarschaftshilfe in der Parsdorfer Großküche der Firma Käfer. Die ist eigentlich dafür bekannt, die Gaumen von Feinschmeckern zu verwöhnen. Die Kunden des Mobilen Mittagstischs freuen sich dementsprechend. "Die Qualität ist wirklich gut", sagt Klaus von Stockhausen. Man käme wohl dennoch nicht gleich darauf, dass der Feinkost-Caterer für das, was man gemeinhin unter dem Begriff "Essen auf Rädern" kennt, in Erscheinung tritt, selbst wenn Vaterstetten gerne mal als das "Grünwald des Münchner Ostens" bezeichnet wird.

"Auch in unserer scheinbar reichen Gemeinde steigt die Altersarmut", sagt Oliver Westphalen, Geschäftsführer der Nachbarschaftshilfe, die den Mobilen Mittagstisch, wie der Service in Vaterstetten heißt, organisiert. Westphalen erinnert sich noch gut an eine Liefertour, die er hin und wieder begleitet, "wo ich aus einem wunderschönen Einfamilienhaus in einen Kellerverschlag kam, das werde ich nie vergessen".

Neben Vaterstetten ist die Nachbarschaftshilfe für die Gemeinden Zorneding und Grasbrunn tätig. Der Mobile Mittagstisch wird inzwischen aber auch in Poing, Pliening und Forstinning angeboten. Denn mit Beginn der Corona-Pandemie habe die Nachbarschaftshilfe einen enormen Zuwachs bei der Nachfrage verzeichnet, sagt Monika Klinger, die als Ressortleiterin den Mobilen Mittagstisch verantwortet. Verständlich, denn Senioren gehören zur Risikogruppe, der das Virus besonders zusetzen kann. Viele verzichten deshalb darauf, das Haus unnötig zu verlassen.

Die vielen Essensbestellungen, die seit dem Frühjahr hinzugekommen sind, haben die Nachbarschaftshilfe organisatorisch allerdings vor Probleme gestellt. Die inzwischen 4000 Essen, die monatlich ausgeliefert werden, haben die Kapazität der Küche des benachbarten Seniorenheims St. Korbinian überstiegen, wo bislang gekocht wurde. Abweisen wollten Westphalen und Klinger aber niemanden - schon aus Gründen der Gesundheitsvorsorge in Coronazeiten. Hier kommt die Firma Käfer wieder ins Spiel. Westphalen wandte sich an Clarissa Käfer. Die Stiftung, die sie mit ihrem Mann Michael verwaltet, hat bereits die Tagespflege, die die Nachbarschaftshilfe im Vaterstettener Ortsteil Baldham betreibt, großzügig unterstützt. Die Zusage kam schnell, die technisch auf dem neuesten Stand befindliche Käfer-Küche hatte Kapazitäten frei - nicht zuletzt auch, weil dem Unternehmen während des Lockdowns selbst Aufträge weggebrochen waren.

Was nun fehlte, waren die Wärmebehälter, in denen das Essen ausgeliefert wird. Eine dieser Thermoboxen, die mit einem großen Teller, einer Suppenschüssel und zwei kleinen Tellern ausgestattet ist, kostet 190 Euro. Dafür bleibt das Essen während der Auslieferung von 11 bis 12.45 Uhr garantiert heiß. "Für uns war die Anschaffung eine massive finanzielle Belastung", sagt Westphalen. Schließlich sei die Nachbarschaftshilfe ein gemeinnütziger Verein. "An unseren Diensten verdienen wir fast nichts." 25 000 Euro hat die Nachbarschaftshilfe in diesem Jahr in neue Geschirrsets investiert. Finanziert werden könne das nur über großzügige Spenden. Mit 8000 Euro hat sich der SZ-Adventskalender an den Kosten beteiligt.

Was Westphalen und Ressortleiterin Klinger zudem freut, ist der Preis, der trotz des Wechsels zur Käfer-Küche mit 9,60 Euro pro Essen inklusive Lieferung gleich geblieben ist. Dafür gibt es eine Suppe, Salat, ein Hauptgericht und ein Dessert. Und zusätzlich soziale Betreuung. "Wir sind kein Pizzadienst", sagt Westphalen. "Unsere Fahrer verlassen den Kunden nicht, ohne ihn wenigstens kurz gesehen und ein paar Worte gewechselt zu haben oder bei Bedarf auch mal das Fleisch zu schneiden." Für Angehörige, die wegen Corona ihre betagten Eltern nicht besuchen sollen, sei das eine große Erleichterung, wie Monika Klinger weiß. Denn wenn jemand nicht öffne, werde sie sofort informiert und könne entsprechende Schritte einleiten.

Für das Ehepaar Stockhausen hat der Mobile Mittagstisch, den sie mehrmals die Woche nutzen, noch einen anderen Vorteil. So gibt es für Klaus von Stockhausen, dessen Frau sich aus gesundheitlichen Gründen hauptsächlich vegetarisch ernährt, auch mal Fleisch. Die eigene Küche bleibt an diesen Tagen ganz kalt, "denn meine Frau isst dann die Nachspeise und abends gibt's die Suppe", sagt Stockhausen.

© SZ vom 17.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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