"Københavens Madhus":Wie ein Vorbild für Europa pleite ging

Lesezeit: 2 min

"Københavens Madhus" sollte die dänische Hauptstadt mit klimafreundlichem und gesundem Essen versorgen. 2019 musste es jedoch schließen. (Foto: oh)

Die "Lebensmittelrevolution" hatte man sich in Kopenhagen vorgenommen

Von Kai Strittmatter

Kopenhagen machte es vor: Am Anfang stand eine entschlossene Gemeinde, am Ende, so sah es der Bürgermeister, die "große Lebensmittelrevolution". Angetrieben über zwölf Jahre lang vom "Københavens Madhus", dem Kopenhagener Ernährungshaus, das die eigene Revolution allerdings nicht überleben sollte.

Dänemarks Hauptstadt hatte schon Anfang des neuen Millenniums ehrgeizige Ziele, wollte sich als grüne und nachhaltige Stadt neu erfinden. Die Ernährung sollte Teil des Konzeptes sein: in den Kantinen und öffentlichen Küchen der Gemeinde also, in den städtischen Behörden, Betrieben und Schulen. Dieser Ehrgeiz stand am Anfang der Gründung des Madhus (wörtlich "Haus des Essens"), das mit Unterstützung der Stadt 2007 die Arbeit aufnahm, Unterschlupf fand es in einem der Gebäude des alten Schlachthofviertels.

Gesünder sollte das Essen werden - und klimafreundlicher. Eines der Ziele war, dort den Anteil an biologischen und saisonalen Zutaten so schnell wie möglich auf 90 Prozent so heben. Weniger Fleisch, weniger Verschwendung. Erreichen wollte man diesen ambitionierten Wandel gemeinsam mit Großküchen und Caterern. Im Madhus arbeiteten nicht nur Köche und Ernährungswissenschaftler, das Team stellte auch Designer, Lehrer und Generalisten an, man verstand sich als ganzheitliches Projekt - und machte schnell Fortschritte.

Der Bioanteil von 90 Prozent war in einigen der Küchen schon 2016 erreicht. Und drei Jahre später hatten schon 14 Kopenhagener Schulen in Zusammenarbeit mit dem Madhus ihre eigenen Kochschulen aufgemacht und ließen jedes Schulkind nicht nur jeweils für eine Woche pro Schuljahr selbst Mahlzeiten zubereiten, sondern brachten ihnen dabei auch die Grundbegriffe von Lebensmittelkunde, Hygiene und Nachhaltigkeit bei.

Eine Erfolgsgeschichte also, die in vielen Städten Europas als Vorbild gesehen wurde. Allerdings wurden im selben Jahr 2016, in dem die Madhus-Mitarbeiter das Erreichen des 90-Prozent-Ziels feierten, die Keime für den Niedergang der Einrichtung gelegt: Die Stadt schrieb die Aufträge, die bislang Madhus übertragen worden waren, neu aus unter Berufung auf EU-Ausschreibungsregeln. Große Teile des Geschäftes mit Großküchen und Catering gingen in der Folge an "Løgismose Meyers", einem Unternehmen, das dem Starkoch und Autor Claus Meyer und einer Investmentfirma gehört.

Bis dahin hatte sich das Madhus zu 70 bis 80 Prozent durch die Aufträge der Stadt finanziert, ein Großteil dieser Einnahmen brach nun weg. Im Herbst 2019 schließlich war das Eigenkapital aufgebraucht: Das "Københavens Madhus" war pleite und schloss - unter großem öffentlichen Wehklagen, dem sich auch Bürgermeister Frank Jensen anschloss, der dem Madhus für seine "bahnbrechende" Arbeit ein "großes Dankeschön" mitgab auf dem Weg in die Insolvenz.

Madhus-Vorsitzender Rasmus Kjeldahl wiederum zeigte mit dem Finger auf die politische Führung der Stadt und sagte, deren zuletzt mangelndes Interesse an dem Projekt habe dem Madhus das Genick gebrochen. "Wir wurden von der Stadt als Entwicklungsmotor geschaffen, aber unterwegs hat die Gemeinde den Motor abgestellt und billigere Alternativen ausgewählt - im Wissen, dass wir niemals so billig anbieten könnten ohne die Qualität ernsthaft zu beeinträchtigen." Besonders traurig mache es ihn, so Kjeldahl damals, das Madhus schließen zu müssen "in einer Zeit, in der es mehr denn je um Klima und um Nachhaltigkeit geht".

Im vergangenen Jahr wurde ein möglicher neuer Mieter des nun leer stehenden Gebäudes im Schlachthof bekannt: der Verein "Mad Symposium" - mitgegründet unter anderem von René Redzepi, Küchenchef des Restaurants Noma in Kopenhagen, das von der britischen Fachzeitschrift Restaurant mehrfach als "bestes Restaurant der Welt" ausgezeichnet wurde. Auch "was mit Essen", aber doch von deutlich anderem Profil.

© SZ vom 02.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: