Jazzgeschichten:Tresenträume

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Vom Werbefachmann zum Jazzbarbesitzer: Seit 1997 führt Thomas Vogler die Bühne. (Foto: Ralf Dombrowski)

Thomas Vogler veröffentlicht Geschichten aus seiner Jazzbar

Von Oliver Hochkeppel, München

Seit 1997 führt Thomas Vogler jetzt seine Jazzbar in der Rumfordstraße, nach wie vor ganz allein als Mädchen für alles. Von Anfang an war das Abenteuer Live-Bühne ein Vabanque-Spiel für einen gelernten Werbefachmann ohne jede Erfahrung in der Gastronomie. An einem Ort, an dem sich vorher ein halbes Dutzend Pächter erfolglos versucht hatten. Ein Ritt auf der Rasierklinge ist das bis heute geblieben, ein paar Mal war es schon fast vorbei, ob nun der albanische Koch Knall auf Fall ausgewiesen wurde oder die Brauerei, die Gema, ein Jahrhundertsommer oder die eigene Steuerberaterin den Laden in Bedrängnis brachten. Immerhin hatte sich das Ganze dank Voglers Sturheit, eines treuen Stammpublikums und eines wieder gewachsenen Interesses für Jazz in ungezwungener Atmosphäre in den vergangenen Jahren stabilisiert - bis Corona kam.

Als Gastronom und Kulturveranstalter sitzt Vogler nun quasi doppelt auf dem Trockenen, versuchte es zwischen den Lockdowns mit Hygienekonzept und ein paar wenigen Gästen weiter, wartet nun aber auch schon seit Monaten, ob und wie es weitergeht. Der Mann, der in den ersten zehn Jahren seines Unternehmens nicht einmal Urlaub machte, hatte also plötzlich Zeit. Und wie nutzte er sie? Er ging unter die Autoren. "Der kotzende Hund" heißt sein gerade erschienenes erstes Buch, der Untertitel bringt einen etwas weiter: "Kurz-Geschichten einer Bar." Vogler trug einfach zusammen, was er in seiner Bar binnen 24 Jahren an Kuriosem, Lustigem, Erschreckendem und Traurigem erlebt hat. Nur auf sein Gedächtnis vertrauen musste er dabei nicht, konnte er doch auf seinen wöchentlichen Newsletter zurückgreifen. Über 800 Ausgaben davon hat er inzwischen versendet, und darin steht eben seit jeher nicht nur das Programm, sondern auch, was Vogler aktuell so bewegt. Ein Bar-Tagebuch quasi, das Vogler jetzt nur in eine neue Struktur überführen musste.

Langjährigen Newsletter-Abonnenten werden also viele der kleinen Episoden bekannt vorkommen. Was dem Vergnügen an den mit ganz eigenem Humor und süffiger Schreibe ausgebreiteten Anekdoten keinen Abbruch tut. Alphabetisch nach Stichworten hat Vogler seine Geschichten sortiert, von "Adolf", wo sich ein Besucher als Hitler-Enkel outet, bis zu "Zungenspezialität", wo es um die absurde Aufgabe geht,

für eine Jazzbar einen Google-Eintrag aus den vorgegebenen "Unternehmens-Kategorien" auszuwählen. Dazwischen jede Menge mindestens verblüffende Begebenheiten mit Gästen und Musikern, von Kommentaren wie "Schade, dass es nur Spaghetti gibt. In einer Jazzbar sollte es entweder Penne oder Fusili geben" (Stichwort "Essen") bis zu kontraproduktiven Band-Bewerbungen wie "Wir sind nicht ambitioniert, wir sind arrogant!" Aber auch einige Beispiele für Voglers berühmt-berüchtigtes Einzelkämpfertum in Sachen sozialem wie politischem Engagement. Und allerlei, mit dem sich ein Gastronom herumschlagen muss. All dies eingebettet in die tatsächlich "unglaubliche Geschichte des Hauses Rumfordstraße 17" und eben als Nachklapp die Geschichte mit dem kotzenden Hund (den es im letzten Newsletter auch als schöne Zeichnung von Amelie Baumer gab). Die ist allerdings nur ganz klein. Der Spaß an Voglers Büchlein dafür umso größer.

Thomas Vogler: Der kotzende Hund . Kurz-Geschichten einer Bar, BoD 2021, www.jazzbar-vogler.com

© SZ vom 23.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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