Jazz Sommer:Vereint im Groove

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Der New Yorker Trompeter Roy Hargrove ist ein Stil- und Haltungskünstler. Das bewies er bei seinem Auftritt im Night Club des Bayerischen Hofs. (Foto: Ralf Dombrowski)

Bob Geldof mit Anti-Haltung, Roy Hargrove lässig-elegant: Der Auftakt des Festivals im Bayerischen Hof

Von Oliver Hochkeppel, Ralf Dombrowski, München

"I hate Jazz", stellte Bob Geldof früh klar. Mehrfach wiederholte er, wie seltsam er es fand, bei einem "fuckin' Jazzfestival" aufzutreten; er und seine Bobkatz würden jetzt "Irish Jazz" spielen, ergänzte er ironisch. Einen Anti-Jazzer hatte man auch noch nicht zur Eröffnung des Jazz-Sommers im Bayerischen Hof. Durchaus mutig von der Hotelchefin Innegrit Volkhardt und der Programmleiterin Katarina Ehmki, die Festivalsucht nach klingenden Namen kontraindikativ zu stillen. Was dem bedeutendsten europäischen Jazzfestival in Montreux seit Jahren recht ist, sollte dem Bayerischen Hof nur billig sein: Die Strahlkraft von Popstars für den Jazz anzuzapfen. Und der Alt-Punk Bob Geldof hat ja über seine "Band Aid"-Geschichten seit eh und je Schnittpunkte zur High Society. Es hat nur leider nicht wirklich funktioniert. So licht gefüllt war der Festsaal - der Geldof wiederum gut gefiel, weil er ihn "an die Titanic erinnert, vor der Begegnung mit dem Eisberg" - zum Auftakt noch nie, und abgesehen von denen, die eigens wegen des seit Ewigkeiten nicht mehr in München aufgetretenen Iren gekommen waren, fremdelte das Gros der Festival-Stammgäste doch sehr. Dabei war Geldofs Auftritt für sich genommen in Ordnung: Sein folkig-ruppiger Rock'n'Roll hatte Schmiss und Haltung. Obendrein ist der Mann in seinen Songs wie auch dazwischen ein begnadeter Erzähler.

Für viele ging es also erst danach richtig los, mit den Fusion-Ikonen Mike Stern, Randy Brecker und Lenny White plus dem jungen Bassisten Teymur Phell, unten im Nightclub, der denn auch so gesteckt voll war wie lange nicht mehr. Da wurde zwar nichts neu erfunden, dafür aber von unverwechselbaren Stilisten jene Epoche in Reinkultur neu evoziert, in der sich der Jazz nach seinen Free-Experimenten auf monströs virtuose Weise mit der Wucht und der Eingängigkeit des Rock versöhnte.

Mit einem Jüngeren ging es tags darauf eher noch einen Tick zurück in die Jazzgeschichte. Roy Hargrove trug Anzug, Fliege, Sneakers. Das passt zu seiner Musik. Tradition trifft Moderne, Eleganz trifft urbane Lässigkeit. Der einst texanische, inzwischen aber längst New Yorker Trompeter ist ein Stil- und Haltungskünstler, für den das Amerikanische neben dem Afro-Erbe vor allem in der Selbstverständlichkeit besteht, nichts auslassen zu müssen. Im Laufe eines langen Clubabends finden Soul-Oldies von Sam & Dave ebenso Eingang ins Programm wie Up-Time-Bop in ferner Erinnerung an die wilden Jahre des Jazz. Man hört Standards aus der etwas komplexeren Phase zwei des "Great American Songbooks" ebenso wie funky Songs, die im Kern nur aus zwei Akkorden bestehen. Zwischendurch singt er ein wenig, leistet sich ein paar Tanzfiguren, alles im Dienste eines ästhetischen Gesamtverständnisses, das Jazz als die eigentlich amtliche Kunstform der Unterhaltungskultur versteht.

Das funktioniert nur, weil er - eine Parallele zum sonst schwer vergleichbaren Bob Geldof - ein begnadeter Fabulierer ist, der seinen Instrumenten Linien vollendeter Eleganz entlockt. Und es hängt auch mit einem Quintett zusammen, das ihn ausdauernd anschiebt. Justin Robinsons Altsaxofon ist ein mindestens gleichwertig eloquenter Impulsgeber. Der für Sullivan Fortner eingesprungene Tadataka Unno spinnt am Klavier ebenso dicht gewebte Harmonienetze wie er im Bedarfsfall funky phrasieren kann. Ameen Saleem nimmt seinen Kontrabass hart und fordernd heran, ohne darüber den Flow zu verlieren, und Quincy Phillips ist ein humorvoll vielschichtig agierender Groove-Souverän, der die Band zusammenhält. So entsteht Jazz, wie man ihn sich vorstellt, fest verwurzelt in einem Jahrhundert Spieltradition und zugleich gegenwärtig genug, um den Spaß am impulsiven Gestalten spüren zu lassen. So puristisch wird es in den kommenden Tagen nicht mehr zugehen beim Jazz-Sommer.

© SZ vom 21.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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