Ismaning / Bogenhausen:Gemeinsam aus der Staufalle

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Stadt und Landkreis steigen in eine interkommunale Verkehrsplanung für den Münchner Nordosten ein. Landrat Göbel warnt, dass das neue Quartier am Rand von Bogenhausen die Straßen im Umland belasten wird

Von Martin Mühlfenzl, Ismaning / Bogenhausen

Beispielhaft für die Misere im Münchner Nordosten, sagte Ismanings Bürgermeister Alexander Greulich (SPD), sei die Flughafen-S-Bahn: "Auf der S 8 haben wir einen Takt wie zu Zeiten der Olympischen Spiele 1972. Da fährt die S-Bahn alle 20 Minuten", schimpfte Greulich im Kreistags-Ausschuss für Bauen und Schulen. "Und das zu einem Flughafen mit mehr als 40 Millionen Passagieren." Niemand dürfe sich wundern, dass so viele über einen Umstieg auf den öffentlichen Nahverkehr nicht einmal nachdenken. Die Folge lasse sich jeden Tag beobachten: "Verstopfte Straßen - genervte Autofahrer."

Der Landkreis will sich des Problems jetzt mit neuen Instrumenten annehmen und beteiligt sich ebenso wie die Stadt an einem interkommunalen Verkehrskonzept. Darin sollen Lösungen für die fünf Nordkommunen Ismaning, Unter- und Oberschleißheim, Garching und Unterföhring sowie die angrenzenden Stadtbezirke von Bogenhausen bis Feldmoching-Hasenbergl und Teile der Landkreise Dachau und Freising erarbeitet werden. "Verkehrskonzept Raum München Nord" nennt sich das Projekt, das geografisch bis zu den Kreisstädten Freising und Dachau reicht.

Der Landkreis gibt 75 000 Euro, die Stadt 70 000. Die Beteiligung an dem Gutachten fällt in eine Zeit, die geprägt ist von großen Verkehrsprojekten und Visionen: der Bau der zweiten Stammstrecke, die Milliarden verschlingen wird und deren Nutzen von vielen Kommunalpolitiker im Umland in Zweifel gezogen wird; der Plan der Landräte, die S-Bahnen weit in die Peripherie hinaus zu verlängern; und das Perspektivpapier zum öffentlichen Personennahverkehr, das der Landkreis selbst hat erstellen lassen. Darin werden zahlreiche Tangentialverbindungen, sei es als Tram oder U-Bahn, aufgelistet, die mit etwas Fantasie sogar eine Art Ringschluss ergeben.

Dass auch die Landeshauptstadt beim Verkehrskonzept mit im Boot sein müsse, sei unabdingbar, sagte Landrat Christoph Göbel (CSU) und verwies auf das große Münchner Städtebau-Projekt, das gerade den Landkreis zwischen Unterföhring und Aschheim weiter belasten könne: das neue Quartier der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme (SEM) im Nordosten Bogenhausens, wo bis zu 30 000 Menschen wohnen und bis zu 10 000 arbeiten sollen. Grund dafür sei, dass das Verkehrssystem der Landeshauptstadt ein solches Bevölkerungswachstum nicht verkraften könne.

Damit hat der Landrat nicht unrecht: Das neue Wohngebiet liegt östlich der S 8-Trasse, die eigens für die Bebauung auf Kosten der Stadt in einen Tunnel verlegt werden soll. Nur dann werden die drei Erschließungsstraßen leistungsfähig genug sein, die die Stadt in Ost-West-Richtung plant. Die einzige Erschließung in Nord-Süd-Richtung soll im Norden an die bereits heute stark belastete Kreisstraße M 3 bei Unterföhring angebunden werden.

An diesem Punkt setzt Göbels Kritik an: "Der Landkreis und die nördliche Region dürfen nicht einseitig belastet werden", forderte er. "Die Stadt muss sich aktiv an großräumigen Planungen, die ihr Gebiet einschließen, beteiligen." Denn der Druck ist schon heute enorm: Im Nordosten wohnen auf engstem Raum in fünf Kommunen weit mehr als 90 000 Einwohner - das sind nahezu 30 Prozent der Landkreis-Bevölkerung. Ismanings Bürgermeister Greulich verdeutlichte, wie sehr überörtliche Lösungen erforderlich seien, um aus der Staufalle herauszukommen: "Wenn wir die B 471 in Ismaning ausbauen, wie es ja vom Bund vorgesehen ist, haben wir den nächsten Flaschenhals in Aschheim."

Drei Faktoren sollen im Zusammenspiel der drei Landkreise München, Dachau und Freising mit der Landeshauptstadt beleuchtet werden: die Siedlungslandschaft, natürlich die Mobilität sowie der Freiraum samt Naturschutz und Erholungsflächen. Auf engstem Raum fließt der Verkehr von Freising und Dachau aus über die fünf Kommunen im Landkreis Richtung Stadt München - und zurück. "Es ist an der Zeit, dieses Gebiet ganz genau zu betrachten und zu analysieren", sagte Greulich. "Es ist schon zu viel Zeit verlorengegangen."

© SZ vom 12.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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